Kurzgeschichten aus der Meckenheimer Geschichte
Holz – ein unentbehrlicher Naturstoff für Meckenheim
Die Rechte der Meckenheimer am Kottenforst in der Frühen Neuzeit
von Ingrid Sönnert M.A., Stadtarchiv Meckenheim
„Mich wundert, wo unser Gott Holz nimmet zu so mancherlei Brauch für alle Menschen in der ganzen weiten Welt, als Bauholz, Brennholz, Tischlerholz, Böttigerholz, Stellmacherholz, Holz zu Stuben, Schubkarn, Schaufeln, zu hölzern Kandeln, zu Fassen, Gelten etc. Und wer kann allen Brauch des Holzes erzählen? In Summa, Holz ist der größten und nöthigsten Dinge eines in der Welt, des man bedarf und nicht entbehren kann.“1 Diese Gedanken Martin Luthers treffen sich mit dem Motto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals, der unter dem Motto „Holz“ steht. Der Begriff „Holz“ ist eng verbunden mit dem Begriff „Wald“, denn dieser liefert gestern wie heute die bis weit in das 19. Jahrhundert unersetzliche Zentralressource Holz.
Ein Blick in Urkunden und Akten des Meckenheimer Stadtarchivs zeigt, dass die Menschen der vorindustriellen Zeit Ansprüche der unterschiedlichsten Art an den Wald stellten. Der Wald lieferte das Holz. Außerdem diente der Wald zu Viehzucht und Jagd.
Vor den Toren Meckenheims liegt der Kottenforst, der heute vor allem als Wander- und Erholungsgebiet dient. Für die Vorfahren der heutigen Meckenheimer war der Kottenforst jedoch als Lieferant von Bau- und Brennholz äußerst wichtig. Außerdem nutzten sie die Früchte der Bäume zur Schweinemast. Bereits im 9. Jahrhundert wurde der Kottenforst anlässlich eines Besitzwechsels der Waldmark an das Kloster Prüm genannt. Als das Jagdrecht im Kottenforst 973 dem Kölner Erzbischof übertragen wurde, stellte die Kanzlei Kaiser Otto II. darüber eine Urkunde aus, in der die Grenzen des Waldes beschrieben sind.
Wälder befanden sich im Besitz von königlichen, adeligen oder kirchlichen Grundherren. Denn diese erkannten rasch, dass das Eigentum an Wäldern die Geldtaschen füllte. Sehr bald war auch das Recht, in den Wäldern zu jagen, ein Privileg der Herrschenden. Der Kottenforst befand sich einst in königlichem Besitz, dann ging das Recht, ihn zu nutzen, an den Kölner Erzbischof über. Erzbischof Anno, der 1064 die Siegburger Abtei gründete, schenkte ihr, neben vielen anderen Gütern, auch den Kottenforst. Jahrhundertelang blieben nun die jeweiligen Äbte zu Siegburg Grundherren des großen Waldgebietes. Um ihre Rechte zu schützen, zeichneten Grundherren diese in sogenannten Weistümern auf. Ein Weistum der Rechte des Abtes und des größten Meckenheimer Grundherren, des Mariengradenstiftes in Köln, vom 2. Januar 1550 dokumentiert auch die Rechte und Pflichten der Meckenheimer Lehnleute des Stiftes.2
Mariengraden besaß 21 Lehen in Meckenheim, mit einem Lehen war der Erbförster auf dem Stapelhof belehnt. Dieser hatte einmal jährlich, am Neujahrstag, den Dienern des Siegburger Abtes, den Meckenheimer Schöffen und den Förstern ein Essen zu geben. Die Lehnsleute hatten am gleichen Tag, „wan die meeß auß ist, wan daß essen ahngeht“3, ihre Pachtabgaben für die Waldnutzung zu zahlen. Von jedem Lehen erhielt der Abt einen Malter Gerste, ein Huhn und drei Schilling. Die Meckenheimer hatten das Recht, Eichenholz zum Hausbau zu schlagen sowie Brennholz. Fällte ein Lehnsmann allerdings mehr Holz als er benötigte und wurde dabei vom Förster überrascht, hatte er fünf Schilling Buße zu zahlen. Gelang es ihm jedoch mit dem Holz das Stadttor zu erreichen, blieb er straffrei. Ebenso wichtig war das Recht, Schweine zur Eckernmast in den Kottenforst zu treiben, „waß er auf seinem Trogh erzogen und in seinem Hauß gebrauchet“. Die Anzahl der Schweine, die zur Mast in den Wald getrieben wurde, variierte. Meist werden 10 Schweine für ein ganzes und 5 Schweine für ein halbes Lehen angegeben. Ein Auszug aus einem Meckenheimer Lehnsweistum über die Kottenforster Gerechtigkeit von 1633 beschreibt wie die Anzahl der Schweine insgesamt festgesetzt wurde. „Wenn die Ecker wächst, werden alle auf dem Kottenforst anerbigen Herren und Lehnsleute durch den Kellner von Poppelsdorf auf einen Platz im Busch geladen, um die Ecker zu besichtigen. Nach dem Befund der Ecker wird geschätzt, ob 1000, 2000 oder 3000 Schweine zu treiben seien.“4 Zusätzlich durfte während des ganzen Jahres Hornvieh im Wald geweidet werden. Der Erbförster erhielt für jedes Tier am Freitag vor dem Fest Johann Baptist5
einen Pfennig. Bis er sein Geld erhalten hatte, mussten die Stadttore geschlossen bleiben, Die Schweinemast dauerte ca. sechs Wochen, für die jeder Lehnsmann sechs Mark zahlte. Nach sechs Wochen war es dem Abt gestattet, den „Förstling“ – ein Schwein – aus jeder Herde zu nehmen.6
Auch die Lehnsleute des Cassiusstiftes, des zweiten großen Meckenheimer Grundherren, holten Bau- und Brennholz aus dem Kottenforst und trieben Vieh ein. Der Pächter des Fronhofes holte jährlich 8 Wagen Brandholz aus dem Kottenforst. Zum Kölnhof, dem Hof des Erzbischofs von Köln in Meckenheim, gehörten 1454 auch 24 Morgen Wald, der von den 46 angehörigen Leuten genutzt wurde.7 Die Junker von Meckenheim besaßen den „Hambuch“, ein Waldstück zwischen Meckenheim und Lüftelberg.8
Auf dem der Abtei Siegburg gehörenden Gut Muffendorf wurde regelmäßig ein Waldgericht abgehalten. Die Besitzer der Güter Odenhausen, Münchhausen und zweier Höfe in Friesdorf, hatten auf die Einhaltung der Rechte der Siegburger Abtei zu achten. Aber nicht jeder folgte ihren Anweisungen. Es war beispielsweise der Herr des Schlosses Gudenau, der auch Grundherr in Merl war, welcher sich überreichlich Bau- und Brennholz aus dem Wald holte. Es kam zu langen Streitigkeiten, die erst 1663 ein Ende fanden, als Walbott zu Gudenau Odenhausen kaufte und nun selbst für die Aufrechterhaltung der Waldordnung zuständig war. Die Abtei Siegburg verkaufte schließlich den Wald 1549 an den Kurfürsten. Der versuchte auf dem Muffendorfer Waldgericht u.a. den Einwohnern von Lüftelberg und Merl das Nutzrecht am Wald zu verweigern, was jedoch misslang.
Die Nutzung des Waldes beinhaltete stets ein Konfliktpotenzial zwischen Landesherren und ländlicher Bevölkerung. Die finanziell lukrative Holzproduktion gewann für die Landesherren eine immer größere Bedeutung. Insbesondere die agrarische Nutzung des Waldes durch die Landbevölkerung musste immer mehr zurückstehen.
Am Landwirtschaftswald waren die Landesherren überwiegend indirekt interessiert. Sie bezogen von Viehzucht und Ackerbau, unabhängig davon, ob diese im Kammer- oder Gemeindewald stattfanden, geldliche und naturale Abgaben. Die Funktionsfähigkeit der Landwirtschaft war für die Landesherren überdies unerlässlich, um Steuern erheben und die Bevölkerung ernähren zu können. Aus diesen finanziellen und naturalen Belangen entstand das hoheitliche Streben, die agrarische Nutzung des Waldes zu reglementieren und später auch einzudämmen.9
Die Beispiele für Streit um die Rechte der Meckenheimer am Wald sind vielfältig. 1550 beklagten sich Meckenheimer bei beiden Stiftskapiteln, der Erzbischof habe ihnen bei schwerer Strafe jede Nutzung des Waldes untersagt hat - das sei gegen das Recht der Kapitels und der Lehnsleute.
In einer weiteren Eingabe unmittelbar an den Erzbischof klagen die Lehnsleute, dass sie anstelle der gewöhnlich für einen Förstling zu zahlenden 6 Mark jetzt 4 oder 5 Taler geben sollen.10 1611 klagen beide Grundherren dem Kölner Erzbischof, sein Kellner zu Poppelsdorf, Gerhardt Lolman, habe die Kühe von Meckenheim weggetrieben. Sie bitten den Erzbischof, die Störung der Viehzucht zu verbieten.11
Der Kottenforst wurde intensiv von den Menschen in den an den Wald grenzenden Gemeinden genutzt, was sich auf die Hege und Pflege des Waldes oft ungünstig auswirkte. Die Waldweidewirtschaft, auf welche die Menschen angewiesen waren, verhinderte oft eine Regeneration des Waldes.12 Verstärktes Brenn- oder Bauholzschlagen führten in einigen Gegenden dazu, dass die Wälder in der Nähe vieler Ortschaften verödeten. Den Zustand des Kottenforstes beschreibt ein Brief des Kurfürsten an das Kapitel von Mariengraden 1612. Der Kottenforst sei durch unberechtigte Nachbarn und Untertanen, auch durch die Berechtigten selber dermaßen verwüstet, verheert und verdorben, dass in Kürze der völlige Untergang des Waldes zu erwarten sei.13 Der Kurfürst befahl, dass alle berechtigten Anerben sich einige Zeit "des Buschs enthalten sollen“, weil er demnächst eine allgemeine Waldordnung erlassen werde, durch die der Busch bewahrt und jedem das, wozu er berechtigt ist, verabfolgt werden könne.14 Eine Waldordnung regelte die Nutzung der Wälder und schrieb vor, wer für die Überwachung der Einhaltung verantwortlich war. Am 11. September 1612 sollten die kurfürstlichen Räte im „Kottenforst am Tiergarten“ über die Waldordnung beraten, die schließlich auch erstellt wurde.15 Beispielsweise wurde die Anzahl der Mastschweine begrenzt.
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein blieben der Wald und das Holz für Meckenheim wichtig. Als die Franzosen unter Napoleon die linksrheinischen Gebiete eroberten, die Napoleon 1801 annektierte, waren die Meckenheimer besorgt um ihre Rechte am Kottenforst. "Überzeugt, daß die Französische Nation die hiesigen Landsbewohner bei ihren alten Gerechtsamen belaßen und jeden Eintzelnen bei seinem Eigenthum schützen wolle", werden sie wegen des trotz zweimaliger Eingaben noch nicht angewiesenen Lehnholzes und Forstbaums zum dritten Mal vorstellig und benennen den Waldförster zur Venne, Bürger Wentzel, sowie die Jäger Schönewald und Soutzca als Zeugen für die Rechtmäßigkeit der stets erfolgten Anweisung. Sie wüssten nicht, weshalb sie, "die arme Lehnmänner, die den Holtzgenuß so theuer, nemblich mit 20 Malter Gerste, verzinßen müßen, bei dieser höchstbedrangten Zeit und äusserst kalten Witterung darauf so lang und bis in gegenwartiges Jahr warten und für Kälte erstarren müssen". In der Annahme, dass der Forstmeister Ostler wegen seiner vielen Geschäfte und Reisen bald in diese und bald in jene Gegend an der Weisung verhindert werde, bitten sie, diese dem Waldförster Wentzel aufzutragen, der sie schon 30 Jahre "ausgezeichnet und angewiesen habe".16
1807 reichte die Gemeinde Meckenheim eine Eingabe wegen der Rechte am Kottenforst beim Präfektur-Rat des Rhein- und Mosel-Departements ein, der am 2. Dezember 1808 entschied: „Die Gemeinde Meckenheim wird im Recht des Weidgangs für das Hornvieh im kaiserlichen Wald, genannt Kottenforst, sowie in dem Recht, jährlich einen Baum zum Bauen zu fällen, gehandhabt. Die Lehnsleute der von St. Maria ad gradus in Köln herkommenden Güter werden gehandhabt:
1. im Recht der Eicheltrift für die zu ihrem Bedarf aufgezogenen Schweine, deren Anzahl aber 10 nicht überschreiten darf und jährlich nach der Ergiebigkeit der Eichelernte festgelegt wird.
2. im Recht auf zwei Karren oder einem1 Klafter Brandholz, für jeden Lehnsmann zu nehmen "auf Stock oder Klafter" nach Vermögen des Buschs.
3. im Recht auf Bauholz, für jeden jährlich einen Baum, der zwei Block, jeder 12 Schuh lang und zwei Schuh dick, enthalten muss; Brand- und Bauholz sollen ihnen jährlich durch die Forstverwaltung "gezeichnet" werden.
In vorstehendem Artikel ist weder der Erbförster des Kottenforstes, der sich "zur Liquidation seines aufgehobenen Amtes anmelden mag, wenn er sich gegründet glaubt", noch ein anderer Gutsbesitzer einbegriffen, wenn er nicht nachweist, Lehnsmann zu sein.
Für diese Gerechtsame sollen jährlich bezahlt werden: durch die Gemeinde ein Pfennig für jedes zur Weide getriebene Stück Hornvieh sowie 10 Reichstaler nach alter kölnischer Währung (30 Franc 92 Cente) als Entschädigung für die ihr obliegende Baumpflanzung, an Gerste soviel als erwiesen wird und 2/4 Wein; durch die Lehnsleute ein Malter Gerste, ein Huhn und 1 ½ Albus, außerdem muss jeder ein Schwein abgeben, sooft ihre Schweine über sechs Wochen auf der Eichelweide sind.
Gemeinde und Lehnsleute sind in der Ausübung der Gerechtsame an die Forstgesetze gebunden.“17
Zu Zeiten des Kurfürsten Clemens August war der Kottenforst das Jagdparadies des Fürsten. In Röttgen hatte er sich Mitte des 18. Jahrhunderts das Jagdschloss Herzogsfreude errichten lassen, das bereits 1807 von den Franzosen für den Festungsbau in Wesel wieder abgerissen wurde. Im Kottenforst ließ er ein groß angelegtes Schneisensystem für die Parforcejagd ausbauen. Diese Schneisen oder Alleen nutzen noch heute die Spaziergänger für ihre Wanderungen durch den Wald. Die Hauptachsen des Wegesystems laufen alle in Röttgen zusammen. An ihrem Schnittpunkt stand das Jagdschloss. Die Meckenheimer Allee war eine der bedeutenden Wegeachsen durch den Forst; sie ist heute zur L 261 ausgebaut. Aber auch die „Merler Bahn“ kann man heute noch entlanggehen. Unter französischer Herrschaft wurde im Kottenforst extrem viel Holz geschlagen. Nachdem das Gebiet 1815 im Wiener Kongress den Preußen zugesprochen wurde, fanden diese einen großflächig verwüsteten Wald vor. Er bestand nur noch aus etwa 300 Hektar Eichen- und Buchenwald. Der preußischen Forstverwaltung ist es zu verdanken, dass der Kottenforst wieder aufgeforstet wurde.
Quellenverzeichnis
1 Martin Luther, Tischreden 30. August 1532
2 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 15
3 s. Nr. 2
4 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 76
5 24. Juni
6 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 59
7 HSTA Düsseldorf, Kurköln, Kartulare 3
8 s. Nr. 6
9 http://www.ngzg.geschichte.uni-muenchen.de/forschung/forsch_projekte/wald/index.html:
Frühe Formen der Umweltpolitik: Wald und Gesellschaft von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert
10 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 128
11 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 63
12 Thaer, Albrecht, Grundsätze der rationellen Landwirtschaft, Berlin 1812, S. 257: „Endlich erwähne ich noch der Waldmast. Sie macht nie im höchsten Grade fett; aber Mast. Die Eichelmast giebt ein sehr festes Fleisch und Speck; die Buchmast hingegen gibt loses Fleisch und Speck, welches, wenn es warm wird, ausläuft.
Die Schweine müssen Tag und Nacht im Walde bleiben und Schoppen darin haben. Werden sie Abends eingetrieben, oder können frei nach Hause laufen, so erhitzen sie sich, und laufen so viel wieder ab, als sie ansetzen. Die Waldmast ist freilich unter allen die wohlfeilste, aber nicht alle Jahre ist sie genugsam vorhanden. Wenn sie sich nicht schnell darin bis zu einem gewissen Grade fett fressen, so haben sie oft wegen des Mangels an Wärme und an Ruhe, wenig Nutzen davon.
Den Weideschweinen ist die Holzweide immer sehr vortheilhaft, wenn auch die Waldfrüchte nicht gerathen, indem die Wurzeln, Maden und Würmer ihnen immer sehr gedeihlich sind. Durchaus müssen sie aber Wasser dabei genugsam haben.“
13 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 64
14 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 67
15 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 66
16 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 384
17 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 405
Abbildungsverzeichnis:
Alle Bilder Stadtarchiv Meckenheim, Fotosammlung
Impressum
Ingrid Sönnert, Holz – ein unentbehrlicher Naturstoff für Meckenheim
Die Rechte der Meckenheimer am Kottenforst in der Frühen Neuzeit
(Kleine Beiträge zur Meckenheimer Geschichte 1)
© Stadt Meckenheim 2012
Bahnhofstraße 22
53340 Meckenheim
Bomben über Meckenheim - Zerstörung und Wiederaufbau
Am 2. und 5. März jährt sich ein Geschehen, das wie kaum ein anderes das Bild der Stadt Meckenheim verändert hat und für die Meckenheimer Tod und Verwüstung brachte. Ein großer Teil von Meckenheims alter Bausubstanz wurde an diesen zwei Tagen im März 1945 zerstört. Während die beiden Angriff am 2. März, die Meckenheim gegen 11.00 Uhr und 12.30 Uhr trafen, besonders den mittleren Teil der Stadt östlich der Hauptstraße und die obere Hauptstraße betrafen, wurde am 5. März gegen 12.45 Uhr fast die ganze Stadt bombardiert.
Ein Bericht des damaligen Meckenheimer Hauptlehrers Wiesel im Meckenheimer Heimatbuch gibt einen Eindruck über die Geschehnisse: „Die schwärzesten Tage für Meckenheim waren der 2. und 5. März 1945. Während unser Ort bisher ausschließlich von Jagdbombern heimgesucht worden war, erfolgten an diesen Tagen Angriffe von Bomberverbänden in Form sogenannter Teppichabwürfe. Daß dabei Bomben schweren Kalibers verwandt wurden, konnte man an den furchtbaren Wirkungen, die alles bisher Dagewesene übertrafen, feststellen. Am 2. März waren die Angriffe gegen 11 und 12.30 Uhr. Der erste galt insbesondere dem mittleren Teil unseres Ortes östlich der Hauptstraße und der zweite der oberen Hauptstraße. Die beiden Angriffe wurden in ihrer verheerenden Wirkung noch übertroffen durch den Teppichabwurf am Montag, dem 5. März, gegen 12.45 Uhr, der fast den ganzen Ort in Mitleidenschaft zog. Der Bevölkerung hatte sich eine derartige Panik bemächtigt, daß die Überlebenden mit dem nötigsten Handgepäck, durch Bombentrichter und über Trümmer kletternd, fluchtartig die Stadt verließen. Manche Straßenzüge waren einfach nicht mehr wiederzufinden.
Die Meckenheimer Hauptstraße mit Blick auf das Cafe Rausch (heute Gaststätte Alt Meckenheim) vor dem März 1945
Das Cafe Rausch nach dem Bombenangriff
Manche Straßenzüge waren einfach nicht mehr wiederzufinden.
Die Zahl der Toten an den beiden genannten Tagen belief sich auf etwa 250, von denen ungefähr 200 der Meckenheimer Bürgerschaft angehörten. Die übrigen waren Soldaten, Schanz- und Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und einige Auswärtige. Viele von ihnen konnten erst nach Wochen und Monaten, einige überhaupt nicht geborgen werden. Brände, die in verschiedenen Teilen der Stadt entstanden waren, konnten nicht gelöscht werden, da es manchmal am notwendigen Wasser mangelte. Und am 5. März gegen 12 Uhr nachts zwang feindliche Artillerie die Feuerwehren, ihre Löschtätigkeit einzustellen.“
Nur 28 Stunden nach dem letzten Bombenangriff standen amerikanische Bodentruppen vor Meckenheim! Oberpfarrer Heinrich Broelsch berichtete in der Pfarrchronik: „ Der Nachbar sah dauernd aus dem Küchenfenster auf die Kirchstraße und nach der Hauptstraße. Plötzlich, es waren ca. 10 Minuten vor 16 Uhr, schrie und winkte er zum Fenster hinaus. Da standen die ersten amerikanischen Soldaten.“
1939 zählte Meckenheim 510 Häuser. 1945 waren davon 30% total zerstört, 40% zu 60-100 Prozent, 20% zu 30-60 Prozent und 10% wiesen einen Zerstörungsgrad von 30 Prozent auf. Nur 25 Häuser waren nicht beschädigt! Zum Vergleich dazu standen in den Ortschaften des Amtes Meckenheim an unbeschädigten Häusern: Adendorf 158, Altendorf 100, Arzdorf 42, Ersdorf 88, Fritzdorf 146, Lüftelberg 56 und Merl 59. Die im Stadtarchiv erhaltenen Schadenslisten lassen das Ausmaß der Verwüstung ahnen. Alle Meckenheimer Straßen waren betroffen. Die stärksten Schäden, nämlich Totalschäden, wiesen die Haupt- und Schwitzerstraße, Scheeben-, Kirch-, Mühlen- und Neustraße sowie die Uhlgasse auf. Aber nicht nur Häuser, auch Straßen und Wege waren zu 90% zerstört worden.
Die Meckenheimer Hauptstraße nach dem 5. März 1945
Nur 25 Häuser waren unbeschädigt.
Die überlebenden Meckenheimer zeigten Aufbauwillen und Überlebenskraft und begannen die enormen Schuttberge abzutransportieren. Seit dem 15. März amtierte Heinrich Wilky als Bürgermeister (bis zum 5. Februar 1946). Er rief die Bewohner der umliegenden Ortschaften zu Hilfe. Die Vorsteher der zum Amt Meckenheim gehörenden Gemeinden wurden gebeten „je 4 Fuhrleute mit je einem Mann nach Meckenheim zu beordern, damit die Schuttmassen abgefahren werden können.“ Der Adendorfer Pfarrer von Kann rief von der Kanzel dazu auf: „Versagt Euch diesem Werk der nachbarlichen Nächstenliebe nicht! [...] Die Klugheit darf auch mitsprechen, die uns sagt, wer weiß, ob wir demnächst nicht auch Nachbarn nötig haben.“ Vor allem Handwerker wurden benötigt, die beschädigten Häuser wieder bewohnbar zu machen.
Die Meckenheimer Hauptstraße nach dem 5. März 1945
Am 13. April 1945 erließ der Landrat eine Anordnung, dass nicht nur alle Schäden gemeldet werden sollen, sondern dass leichte, mittlere und größere Schäden vorrangig zu beheben sind - Totalschäden waren ausgenommen. In Meckenheim beklagte sich Bürgermeister Wilky: „Trotz mehrmaliger öffentlicher Aufforderung ist noch immer ein Teil der hiesigen fliegergeschädigten Grundstücke mit der Enttrümmerung im Rückstande.“ Noch im Mai 1946 beschloss die Meckenheimer Stadtvertretung, „die mit der Enttrümmerung noch rückständigen Grundstücksbesitzer nochmals aufzufordern, ungesäumt die Beseitigung von Schutt und Geröll vorzunehmen“. Diejenigen, die den Aufforderungen der Verwaltung nicht nachkamen, wurden angeschrieben - beispielsweise die Kreissparkasse. Sie zählte zu den „wenigen hiesigen Geschädigten“, die der Trümmerbeseitigung noch nicht nachgekommen war. Dabei, bemerkte der Bürgermeister, „ist es Tatsache, dass die hiesige Bevölkerung mit größrem Fleiß im weitesten Umfange die Aufräumarbeiten bereits durchgeführt hat, dabei auch Fliegergeschädigte in den ärmsten Verhältnissen.“ Zur Beseitigung der Trümmer- und Schuttmassen konnten nach § 68 des Kommunalabgabegesetzes durch die Gemeindevertretung auch Steuerpflichtige zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet werden.
Meckenheims Altstadt im März 1945
Mit großem Fleiß wurden die Aufräumarbeiten durchgeführt
Anscheinend ging die Räumung des Schutts in Meckenheim zügig voran, so dass der Bürgermeister dem Landratsamt im Januar 1946 mitteilen konnte: „Die Beseitigung der Trümmer ist bereits wesentlich fortgeschritten. Zunächst hat die Gemeinde unter Aufbietung aller Kräfte dafür Sorge getragen, dass die öffentlichen Straßen und Plätze frei wurden. [...] Dem Beispiel der Gemeinde sind viele Privatbesitzer gefolgt, so dass nunmehr in emsiger Arbeit von Mann und Frau bereits eine grosse Anzahl von Hausstellen aufgeräumt und Steine, Holz und Eisen verwertet sind. Mit den Schutt- und Geröllmassen wurden die vielen Bombentrichter in und um den Ort Meckenheim gefüllt.“
Im Dezember 1946 erhielt Bürgermeister Josef Kreuser einen Brief aus Düren. „ ... der Wiederaufbau in Ihrer Stadt [ist] tadellos organisiert und in Angriff genommen worden. Düren ist, wie Sie viell. wissen, mehr als 85% zerstört. Bisher ist hier gar nichts geschehen [...] Es wäre für uns von großem Nutzen, wenn wir uns [...] von den in Meckenheim gemachten Fortschritten überzeugen und uns bei Ihnen [...] Rat und Anweisung holen könnten.“
Wiederaufbau, der Schutt wird geräumt
Insgesamt betrug die Trümmermenge bei Kriegsende 27.000 cbm. Bis zum März 1947 waren davon 6.200 cbm geräumt Von April bis Ende 1947 wurden weitere 4.100 cbm entfernt. Die Verwaltung plante in der Zeit bis zum 31. März 1948 die nächsten 5.000 cbm beseitigen zu lassen. 1950 wurde die Menge der noch zu räumenden Trümmer mit 5090 cbm angegeben. Die Wasserversorgung war im Herbst 1945 für ⅔ der Stadt wiederhergestellt. Im September 1945 konnten die Meckenheimer Haushalte auch wieder mit Strom versorgt werden.
Die Meckenheimer Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof Bonner Straße Anfang der 1950er Jahre
Die Unterlagen des Stadtarchivs geben keine Auskunft über die privaten Aufwendungen der Meckenheimer zum Wiederaufbau. Die Stadt Meckenheim hatte im Haushaltsplan 1948 23.500 Reichsmark für die Schule, das Wasserwerk mit Rohrnetz und die Trümmerbeseitigung an Straßen, Wegen und Plätzen veranschlagt. Allerdings waren bis Ende 1948 60.900 DM erforderlich. Die für 1949 und später erforderliche Summe wurde mit 355.000 DM angegeben! Bis zur Währungsreform im Juni 1948 waren immerhin 50% der Privathäuser wiederaufgebaut. 4,3 Kilometer neue Straßen entstanden im Laufe der Jahre sowie 7,5 Kilometer neue Kanalisation.
Zwar war der deprimierend wirkende Anblick der Trümmermassen relativ bald verschwunden, an den vielen Baulücken werden jedoch viele Meckenheimer mit Wehmut festgestellt haben, dass leider manches Schmuckstück aus dem alten Stadtbild völlig verschwunden war.
Abbildungsverzeichnis:
Bild 1
Stadtarchiv Meckenheim, Fotosammlung
Bild 2-6
Foto Leo Schevardo.
Bild 7
Stadtarchiv Meckenheim, Fotosammlung
Impressum
Ingrid Sönnert, Bomben über Meckenheim - Zerstörung und Wiederaufbau
(Kleine Beiträge zur Meckenheimer Geschichte 2)
© Stadt Meckenheim 2013
Bahnhofstraße 22
53340 Meckenheim
Die Eisenbahn kommt nach Meckenheim
Für die Fortbewegung der Menschen ist die Eisenbahn eine der umwälzendsten Erfindungen aller Zeiten gewesen. Nachdem 1825 die erste Eisenbahnstrecke in England eröffnet wurde, verkehrte die Bahn in Deutschland erstmals 1835 zwischen Nürnberg und Fürth. Aber noch war die Zeit der Postkutsche, die für Reisende seit Jahrhunderten das allgemein gebräuchliche Verkehrsmittel war, nicht vorbei. So verkehrte z. B. zwischen der Kreisstadt Rheinbach und Meckenheim die seit 1850 bestehende Personenpost. Die Kutsche fuhr um 5.30 Uhr von Rheinbach ab, von Meckenheim aus ging es um 10.15 Uhr wieder zurück. Ende 1850 wurde Meckenheim Station der Fernlinie Bonn-Wittlich, die in 16 Stunden über Meckenheim, Altenahr, Adenau, Kelberg, Hillesheim und Daun führte. Seit dem gleichen Jahr besaß Meckenheim eine Posthalterei, zu der 20 Pferde gehörten, was den Postkutschen einen schnellen Pferdewechsel ermöglichte.
Der Meckenheimer Bahnhof um 1930.
Die Bahnverbindung Köln-Aachen war bereits seit 1841 fertiggestellt. Bahnstrecken wurden zu dieser Zeit noch von Privatgesellschaften gebaut. Mitte des 19. Jahrhunderts gründete sich die Rheinische Eisenbahngesellschaft (RhE), die Teile des heutigen Nordrhein-Westfalens durch die Eisenbahn erschloss und auch Meckenheim den Anschluss an das Schienennetz ermöglichte. Die Gesellschaft wurde 1880 verstaatlicht.
Pläne für eine Bahnstrecke von Düren nach Trier
Seit 1853 gab es verschiedene Pläne zum Bau einer Bahnstrecke von Düren durch die Eifel nach Trier. Der Rheinbacher Landrat Wolff und Rheinbachs Bürgermeister Neß erkannten die Chance, das Kreisgebiet an eine Bahnstrecke anzuschließen und nahmen Kontakt mit der RhE auf. Um vor allem Rheinbach einen Bahnanschluss zu ermöglichen, schlug Neß eine Strecke von Bonn über Witterschlick, Flerzheim, Rheinbach nach Kuchenheim vor. Ein Projekt, das in Bonn interessierte, aber besonders in Euskirchen, auf keine Unterstützung stieß, weil man sich dort einen eigenen Anschluss erhoffte. In Bonn hatte man die Relevanz einer Verbindung der Stadt in die wirtschaftlich bedeutsamen Räume im Westen und Osten mittels einer Bahnverbindung erkannt. Ein Antrag der Stadt an das zuständige Ministerium, die RhE zu veranlassen, einen Anschluss an die Eifelbahn nach Trier von Bonn aus zu führen, wurde jedoch abgelehnt.
Der Meckenheimer Bahnhof um 1968
Die Strecke Euskirchen – Bonn
Von Rheinbachs Bürgermeister kam im gleichen Jahr 1853 der Vorschlag eine Strecke Düren-Euskirchen über Rheinbach nach Sinzig zu führen, was auch von Landrat Wolff unterstützt wurde. 1863 gründete man in Bonn ein Komitee, das beschloss, „sich mit Vertretern des Kreises und der Stadtgemeinde Rheinbach in Verbindung zu setzen und […] eine [Linie] durch das Witterschlicker Tal über Rheinbach nach Euskirchen in Aussicht zu nehmen.“ Rheinbachs Bürgermeister verfolgte seinen Plan hartnäckig weiter und war auch bereit, die Stadt finanziell am Bau der Strecke zu beteiligen.
Der Krieg gegen Frankreich 1870/71 und die Gründung des Deutschen Reiches hatten die Bedeutung eines funktionierenden Transportsystems deutlich gemacht. 1871 äußerte sich Meckenheims Bürgermeister Christian Thiesen erstmals. Er schlug der RhE vor, den Abzweig von einer Linie Euskirchen-Sinzig nach Bonn in Meckenheim einzurichten, da Rheinbach „wegen seiner ungünstigen Lage viel weniger geeignet zur Anlage eines Bahnhofs erscheint“. Zudem sei die Strecke über Meckenheim kürzer und preiswerter. Ein Grund für diesen Vorschlag wird gewesen sein, dass die Meckenheimer nicht in einen anderen Ort fahren wollten, um die Bahn zu nutzen. Außerdem sahen sie es als vorteilhaft an, den Kreis-Güterbahnhof in Meckenheim zu bauen, da die Gütermengen in Meckenheim weitaus größer als in Rheinbach waren.
Die Inbetriebnahme der Hochrampe am Güterbahnhof Meckenheim 1958 (v.l. Amtsbürgermeister Hörnig, Bürgermeister Mennigen, Adendorf, Amtsdirektor Kreuser)
1873 erhielt die RhE die Konzession zum Bau „einer Eisenbahn von Euskirchen über Rheinbach nach Bonn, nebst Abzweigung in das Ahrtal zum Anschluss an die linksrheinische Uferbahn bei Remagen oder Sinzig“. Am 3. Januar 1873 behandelte der Meckenheimer Gemeinderat die Bewilligung von Geldern für den Bau der Eisenbahnlinie. Die finanzielle Lage der Stadt sei so „ungünstig“ stellte der Rat fest, dass man kein Geld geben könne. Dennoch wurde 1874 die Abzweigung nach Bonn von Meckenheim aus beschlossen, was bedeutete: Meckenheim erhielt einen Bahnhof. Am 16. März 1875 einigte sich der Gemeinderat auf die Zahlung von 24 000 Mark an die RhE, worüber Bürgermeister Christian Thiesen mit der Gesellschaft am 31. Juli einen Vertrag abschloss. Die Zahlung sollte in acht jährlichen Raten erfolgen. Paragraph 1 sah vor, dass bei der Anlage der projektierten Eisenbahn Euskirchen-Sinzig und der Bahn über Meckenheim nach Bonn der Trennungsbahnhof beider Strecken in die Nähe von Meckenheim gelegt werden sollte. Wenn dieser Beschluss aufgehoben werden sollte, so hatte nach Paragraph 4 die RhE der Gemeinde Meckenheim das Geld zurückzuzahlen.
Nachdem der Minister für öffentliche Arbeiten den Bau 1877 genehmigt hatte und man mit dem Grunderwerb bereits fortgeschritten war, begann im Februar 1879 der Bau der Strecke. Der Gemeinderat beriet am 30. November 1878 über einen Zuschuss von 6 000 Mark an die RhE wegen der Verlegung des künftigen Bahnhofes Meckenheim. Entgegen der bisherigen Planungen sollte der Bahnhof auf die nördliche Seite der Chaussee nach Rheinbach und dadurch nur 400 Meter vom Ausgangspunkt der Bonn-Trierer Straße verlegt werden. Der Gemeinderat erklärte einstimmig, dass er den verlangten Zuschuss nicht bewilligen könne, da der Bau einer neuen Kirche unmittelbar bevorstehe. Zudem sei die Gemeinde auch sonst sehr verschuldet. Die Verlegung des Bahnhofes müsse daher der RhE anheimgestellt werden.
1879 bat die RhE um Abänderung des mit ihr geschlossenen Vertrages von 1875. Die Gemeinde sollte den bewilligten Baukostenzuschuss von 24 000 Mark bei Verlegung des Bahnhofes Meckenheim an die Nordseite der Rheinbacher Chaussee binnen einer Woche nach Betriebseröffnung in einer Summe zahlen. Der Gemeinderat beschloss jedoch „nach reiflicher Beratung“, den Vertrag unter denselben Bedingungen, wie sie in dem Vertrag genannt werden, aufrechtzuerhalten, auch wenn das Gebäude an die Nordseite der Bezirksstraße von Meckenheim nach Rheinbach zu liegen komme.
Auf dem Bahnsteig, um 1985
1880 war es dann endlich so weit – am 11. Mai beriet der Meckenheimer Gemeinderat den Tagesordnungspunkt: „Empfang der Rheinischen Eisenbahngesellschaft bei der landespolizeilichen Revision der Eisenbahnstrecke Bonn-Meckenheim-Euskirchen am 15. Mai 1880“. Die Strecke von insgesamt 34 Kilometern war fertiggestellt und wurde als Secundair-Bahn, d. h. als eingleisige Bahn untergeordneter Bedeutung betrieben, worüber alle betroffenen Gemeinden sehr enttäuscht waren. Am 15. Mai erfolgte die polizeiliche Abnahme mit einem Dienstzug. (Später stellte man fest, dass die Honoratioren ohne Beteiligung der Bevölkerung bereits bei dieser polizeilichen Abnahme der Strecke mit einem opulenten Festessen für 50 Personen in Meckenheim gefeiert hatten.) Die offizielle Einweihung erfolgte am 7. Juni mit dem ersten Zug, der von Euskirchen nach Bonn fuhr. Haltepunkte gab es zunächst in Odendorf, Rheinbach, Meckenheim, Kottenforst und Duisdorf. Der erste Fahrplan der neuen Strecke sah täglich drei Zugpaare vor, morgens, mittags und abends. Sonntags wurde mittags ein Verstärkungszug eingesetzt. Zehn Jahre später, 1890, wurde die Strecke zur „Vollbahn“ erklärt. Kreis und Städte setzten sich bei der Bahnverwaltung erfolgreich für den Einsatz von weiteren Zügen ein. Nun fuhren täglich fünf Zugpaare und 1892 war auch Witterschlick Station geworden.
Der Bahnhof um 1925
Von dem vertraglich zugesicherten Baukostenzuschuss von 24 000 Mark hatte die Gemeinde Meckenheim nur 12 000 Mark gezahlt. Da die Bahnverbindung nach Sinzig nicht wie vereinbart gebaut worden war, erhielt Meckenheim dieses Geld zurück.
Die Bahnhöfe Meckenheim und Kottenforst
In der Bürgermeisterei Adendorf befanden sich nun zwei Bahnhöfe – in Meckenheim und im Kottenforst. Alle Bahnhöfe der neuen Strecke waren nach den Entwürfen von Johannes Richter gebaut worden, wobei sich die Gebäude in Meckenheim und Rheinbach spiegelbildlich zueinander verhielten. Die Bahnhofsgebäude waren Ziegelbauten mit Bahnhofsrestaurant und Gütertrakt. Der Bahnhof Kottenforst wurde als Fachwerkbau errichtet. Im Erdgeschoss befanden sich zwei Warteräume, die 1. und 2. Klasse sowie die 3. Klasse, außerdem Verwaltungs- und Betriebsräume; im Obergeschoss waren Amtswohnungen. Die unterschiedliche Höhenstaffelung der Baukörper mit einer bewegten Dachlandschaft und das unverputzte Ziegelmauerwerk vermitteln eine abwechslungsreiche architektonische Gestaltung. Die gebrochenen Gebäude- und Gewändeecken, der reich verzierte Kaminkopf sowie die verzierten Ankersplinte und Wetterstangen bestätigen diesen Gesamteindruck auch im Detail.
Auf dem Bahnsteig, um 1985
Mit der Eröffnung der Bahnstrecke erweiterte sich auch das Meckenheimer Berufespektrum. Neben den Stationsvorstehern Jakob Hoffmann in Meckenheim und Johann Dennert im Bahnhof Kottenforst waren nun Stationsvorsteherassistenten, Bahnsteigschaffner, Bahnwärter, Weichensteller, Rotten- und Bahnarbeiter tätig.
Trotz der Eröffnung der Bahnstrecke wurde die Postkutsche weiter genutzt. Vom Meckenheimer Bahnhof aus hatten Reisende die Möglichkeit, mit der Postkutsche nach Altenahr, Ahrweiler oder in die dazwischen liegenden Dörfer zu reisen. Die Postkutsche kam abends von der Ahr zurück und brachte Passagiere an die dann eintreffenden Züge nach Bonn und Richtung Euskirchen. 1895 schrieb die kaiserliche Oberpostdirektion an Bürgermeister Hartstein, dass die Postkutsche immer weniger genutzt werde, weshalb man die Einstellung der Fahrten in Erwägung ziehe. Als Ersatz bot man zwei tägliche Landpostfahrten mit einem zweisitzigen Landbriefträgerwagen zwischen Meckenheim und Gelsdorf an. Bürgermeister Hartstein war mit dieser Maßnahme einverstanden, da „durch die neuen Bahnlinien die Poststrecke Meckenheim-Ahrweiler ihre Bedeutung verloren hat“.
Der Bahnhof Kottenforst, um 1925
Die geplante Strecke von Liblar in das Ahrtal – die “Unvollendete“
Um 1896 begann eine neue Diskussion um die Strecke von Liblar über Weilerswist und weiter in das Ahrtal. Zur Diskussion stand einerseits eine Streckenführungen von Heimerzheim über Rheinbach, andererseits eine über Meckenheim und Adendorf. Zwangsläufig führte das zu Kontroversen zwischen Meckenheim und Rheinbach, wobei Meckenheim von Bonn unterstützt wurde. Bonn befürwortete auch eine Linie von Meckenheim nach Mehlem. Das Rheinbacher Kreisblatt veröffentlichte 1908 die Argumente des Rheinbacher Bürgermeisters Commeßmann:
Zugegeben, daß der Frachtverkehr von Station Meckenheim ab für das Jahr 50 000 Tonnen, der von Station Rheinbach aber nur 20 000 Tonnen betrage, so entfallen von jenen 50 000 Tonnen Frachtgut ganze 25 000 Tonnen auf Adendorf, und ein benachbarter Landwirt, der sich sehr für die Linie Rheinbach-Wormersdorf interessiert, liefert allein jährlich 2 000 Tonnen nach Station Meckenheim. Ziehen wir diese 27 000 Tonnen von den 50 000 Tonnen an, so wird der Unterschied zwischen den Stationen Rheinbach und Meckenheim verschwindend klein.
Der Personenverkehr ab Rheinbach sei jedoch weitaus zahlreicher als der von Meckenheim aus. Außerdem bezweifelte Rheinbach den berechtigten Anspruch Meckenheims, da die Gemeinde die gezahlten 12 000 Mark zurückerhalten habe, Rheinbach die gezahlten 15 000 Mark jedoch nicht, woraus sich seine Forderung klar begründen ließe. 1909 schrieb der Vorstand des Vereins zur Förderung gemeinnütziger und wirtschaftlicher Interessen aus Adendorf an das Ministerium für öffentliche Arbeiten, dass sich beide Städte wegen der Streckenführung „in Wahrung ihrer Interessen feindlich begegnen“. Meckenheim habe den Vorteil, Anschluss an eine Bahnlinie zu haben, genutzt, denn die Stadt sei unbestritten der wirtschaftliche Mittelpunkt des Kreises Rheinbach. Dadurch seien die anderen Orte mit Meckenheim verbunden und auf die Stadt angewiesen. Der Verein setzte sich vehement für Meckenheim ein, ebenso die Stadt Bonn. Genutzt hat es nichts, vermessen wurde die Strecke über Rheinbach, sie führte östlich an den Dörfern Altendorf und Ersdorf vorbei. 1914 begann der Bau, der während des Ersten Weltkriegs weitergeführt wurde. Am Ende des Krieges war die Strecke im Bereich Altendorf-Ersdorf im Unterbau fertiggestellt und Altendorf hatte sogar seit 1921 einen Bahnhof. 1930 wurde der Bau jedoch durch eine Verfügung der Siegermächte endgültig eingestellt.
Die Eisenbahnstrecke Euskirchen – Bonn: Vorteile für Meckenheim
Meckenheim hat die Eisenbahnstrecke Euskirchen-Bonn wirtschaftliche Vorteile gebracht. Die Vieh- und Pferdehändler, Baum- und Obstschulen, landwirtschaftliche Betriebe und die Tonwarenindustrie bis nach Adendorf und Lüftelberg nutzten die Bahn zum Transport ihrer Produkte. Inzwischen ist der Meckenheimer Bahnhof Eigentum der Stadt Meckenheim und mit dem hinter dem Bahnhof gelegenen neuen Baugebiet wird ein neues Kapitel der Meckenheimer Geschichte geschrieben.
Anmerkungen:
Das Zitat in der Überschrift stammt aus dem Gedicht Arm Kräutchen von Joachim Ringelnatz.
Quellen:
Akten des Stadtarchivs Meckenheim
Siegfried Formanski: Ein Bahnhof für Rheinbach. Rheinbach, 2006
Ottmar Prothmann: Chronik von Altendorf und Ersdorf. Meckenheim 2005
Der Text ist im Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises, Ausgabe 29, Jahrgang 2014, S. 22-27 erschienen. Alle Fotos: Stadtarchiv Meckenheim, Fotosammlung
Amtsinsignien - 350 Jahre Warten auf die Bürgermeisterkette
„Was für den König die Krone ist und für den Bischof der Stab, das ist für einen Bürgermeister die Amtskette. Sie strahlt gefällige Würde aus, und sie glitzert nach Tradition.“[1]
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Für ihre Träger sind sie Ehre, Ansporn und Bürde zugleich - die Amtsketten der Bürgermeister. Getragen werden die Amtsketten zu besonders feierlichen Anlässen, wie zum Beispiel der Vereidigung eines neugewählten Stadtrates. Amtsketten gehören zu den Zeichen der Würde eines Amtes oder der Macht wie Bischofsstab, Bischofsring, Zepter, Krone, Marschallstab oder der „Fischerring“ des Papstes. Es gehört jedoch keineswegs selbstverständlich zu den alten Traditionen einer Stadt, eine Amtskette für den Bürgermeister zu besitzen, obwohl es bereits im Mittelalter Insignien der städtischen oder dörflichen Amtsträger gab.
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Das älteste Amtszeichen ist sicherlich das Siegel. Das älteste bekannte Meckenheimer Siegel ist ein Schöffensiegel aus dem Jahr 1334, es befindet sich im Landesarchiv NRW in Duisburg. Das Siegel ist spitzoval und 4 cm groß, seine Umschrift lautet „S SCABINORVM IN MECKENHEIM“. Das Siegel zeigt eine aufrecht stehende, schwer deutbare Figur, die in der rechten Hand einen schildähnlichen Gegenstand vor die Brust hält. Da oft der Kirchenpatron auf dem Siegel abgebildet wurde, könnte es sich um Johannes den Täufer handeln. Nach einem Meckenheimer Weistum von 1421 - einer 15 Artikel umfassenden Rechtsordnung - wurde die Aufsicht über Maß und Gewicht, Backen und Brauen sowie Feld und Wald den Schöffen und der Gemeinde überlassen. 1421 gab es 14 Schöffen, je 7 der beiden Ortsherren, des Mariengradenstiftes und des Cassiusstiftes. Die Schöffen verwandten das Siegel u.a. zur Besiegelung von Verkaufsurkunden.
Als der Kölner Erzbischof Ferdinand von Bayern Meckenheim am 28. Juli 1636 die Stadtrechte verlieh, war die Schaffung eines Stadtsiegels mit der Umschrift "SIGILLUM OPPIDI MECKENHEIMENSIS" sichtbarer Ausdruck des neuen Status. Das Siegel zeigt zwei wichtige Elemente des etwa zur gleichen Zeit entstandenen Meckenheimer Wappens: den Reichsapfel und das kurkölnische Kreuz.
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D
as Meckenheimer Stadtwappen besteht aus einem silbernen Schild, der durch das aus dem Wappen der Kölner Erzbischöfe entnommene schwarze Balkenkreuz in vier Felder aufgeteilt wird. Das Kreuz sowie die Farben Silber und Schwarz weisen auf den Erzbischof als Landesherren hin, wohingegen die Deutung des blauen Reichsapfels mit goldenem Kreuz schwieriger ist. Der Reichsapfel könnte einerseits auf das Erbtruchsessenamt des Hauses Wittelsbach deuten, aus welchem Erzbischof Ferdinand stammte, andererseits könnte es Ausdruck der Verbindung Meckenheims zur bedeutenden rheinischen Adelsfamilie der Ezzonen sein. Die aus dieser Familie stammende polnische Königin Richeza schenkte dem von der Familie gestifteten Benediktinerkloster Brauweiler Land in Meckenheim. Ihr Vater war der lothringische Pfalzgraf Ezzo, dessen Vorfahren dem karolingischen Reichsadel entstammten. Durch ihre Mutter Mathilde, einer Tochter von Kaiser Otto II. und der aus Byzanz stammenden Kaiserin Theophanu, war Richeza mit dem zu ihrer Zeit regierenden sächsischen Herrscherhaus der Ottonen verwandt. Auch heute erhalten wichtige Dokumente das Siegel der Stadt.
Die Grundlagen für das Tragen einer Amtskette der Bürgermeister wurden im 19. Jahrhundert auf dem Verordnungsweg geschaffen. Der Reichsfreiherr von und zum Stein verfasste 1808 die "Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie". Darin verfügte er, dass neben dem Bürgermeister sogar Magistratsmitglieder und Stadtverordnete „in größeren Städten bei Ausübung ihres Amtes goldene Medaillen an goldenen Ketten" zu tragen haben. Friedrich Wilhelm IV. erließ 1840 Richtlinien zur Ausgestaltung der Ketten und Medaillen. Weitere zu Aussehen und Verleihung folgten 1847 und 1851. Als eine der ersten Städte erhielt Düsseldorf 1858 eine Bürgermeisterkette, Bonn erst 1895.
Die Bürgermeister Meckenheims mussten sich lange gedulden. Erst 1985 entschloss man sich, ein repräsentatives Amts-Signum zu entwerfen und zu schaffen. Die CDU-Fraktion im Stadtrat stellte im August 1985 den Antrag, „aus Anlass der Feier „350 Jahre Stadtrechte für Meckenheim wird dem Bürgermeister eine Amtskette verliehen.“ Diesem Antrag stimmte der Stadtrat in einer Ratssitzung am 28. August mit 25 Ja-Stimmen und 4 Nein-Stimmen zu. Wie die Verwaltung bei Nachfragen in den Nachbarkommunen erfuhr, waren in lediglich 4 Städten (Sankt Augustin, Bad Honnef, Königswinter und Bad Münstereifel) Amtsketten vorhanden, die zwischen 8.000 und 10.000 Mark gekostet hatten. Bei einer Besprechung zwischen den Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeister Dr. Hans Georg Preuschoff wurde entschieden, das Ratsmitglied Adolf Schmitt zu beauftragen, Entwürfe für eine Kette in Idar-Oberstein einzuholen. Die Kette sollte repräsentativ, in Handarbeit gefertigt und zu „einem erschwinglichen Preis zu erhalten sein“.[2]
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Dr. Preuschoff schlug vor, auch Angebote von Meckenheimer Goldschmiedmeistern einzuholen, was auch geschah. An den Entwurf wurden u.a. die Anforderungen gestellt: Die Kette sollte in Silber ausgeführt werden und eine Gesamtlänge von ca. 110 cm haben sowie 5 Kettenschilde in Wappenform mit einer Auflage in Gold, 12 rundumlaufende Zwischenglieder mit Achatsteinen aus dem oberen Nahegebiet und einem Kettenanhänger mit einer aus Alt-Silber eingefassten Achat-Platte, auf der das Stadtwappen aus Alt-Silber mit Goldauflage zu sehen sein sollte, enthalten. Das Wappen würde damit, zentral integriert in die Gesamtkonzeption, den Mittelpunkt bilden. In die Goldauflage der Kettenschilde sollten ausgewählte Motive aus den Ortsteilen und deren Namen eingraviert sein. Mit der Fertigung der Kette wurde schließlich Goldschmied Allekotte aus Idar-Oberstein beauftragt, da die Meckenheimer Goldschmiede bemängelten, dass sich ihre Entwürfe zu stark an der Skizze des Kollegen aus Idar-Oberstein ausrichten sollten.
Der Hauptausschuss des Rates beschloss in seiner Sitzung vom 12. März 1896, dass die Kette 5 Wappenschilde enthalten soll mit den Motiven: Meckenheim: Stadtwappen, Altendorf: Burg Altendorf, Ersdorf, Schulstraße mit Kirche, Lüftelberg: Burg Lüftelberg, Merl: Merler Dom. Die Entwürfe der Ortssymbole zeichnete Bert Spilles – nicht ahnend, dass er am 2. März 2008 zum Meckenheimer Bürgermeister gewählt würde und nach Dr. Hans Georg Preuschoff und Dr. Yvonne Kempen der dritte Träger der Kette sein würde. Die Zahl der Zwischenglieder wurde auf 11 reduziert. Bis Juli 1986, vor den Feierlichkeiten zum 350jährigen Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte, sollte die Kette fertig sein. Sie kostete 15.000 Mark.
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Als Meckenheims Stadt-Geburtstag am 7. September 1986 mit einem Pontifikalamt in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer, das vom damaligen Kölner Erzbischof Josef Kardinal Höffner gefeiert wurde, begann, trug Bürgermeister Dr. Preuschoff die neue Amtskette zum ersten Mal. Der General-Anzeiger berichtete: „Bürgermeister Dr. Hans Georg Preuschoff präsentierte sich erstmals mit der neuen Bürgermeisterkette. Dieser Schmuck, Dr. Preuschoff sieht darin mehr die Verpflichtung und Aufgabenstellung, wie er ausführte, wurde übereinstimmend als sehr gelungen und kleidsam bewertet. Wie Dr. Preuschoff betonte, sei die Kette ein Symbol für die jüngste Meckenheimer Stadtgeschichte. Die Ortsteile und die Kernstadt seien nach mehr als 15 Jahren zu einem Ganzen zusammengewachsen. Die Kette umschließe diese Entwicklung nach der kommunalen Neuordnung 1969.“[3]
Bürgermeisterketten gehören zu den Zeichen der Würde und der Macht eines Amtes, sie sind sichtbares Zeichen für die souveräne Amtsgewalt des von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Trägers und seiner verantwortungsvollen Verbundenheit mit der Stadt. Getragen ausschließlich zu besonderen offiziellen Anlässen und repräsentativen Zwecken, sind sie auch ein Sinnbild der Stadt Meckenheim.
Bild 1: Meckenheims Bürgermeisterkette (StA Meckenheim)
Bild 2: Kopie des Schöffensiegels von 1480 (StA Meckenheim)
Bild 3: Kopie des Stadtsiegels von 1636 (StA Meckenheim)
Bild 4: Das Meckenheimer Wappen (StA Meckenheim)
Bild 5: Entwurf der Kettenglieder von Bert Spilles (StA Meckenheim)
Bild 6: Foto aus dem General-Anzeiger v. 8.9.1986 von Ernst Moszien
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© Stadt Meckenheim 2017
Stadtarchiv, Siebengebirgsring 4, 53340 Meckenheim
Text Ingrid Sönnert M.A.
[1] Horst Richter, Stadtgeschichte in Gold und Stahl - Amtsketten der Rheinischen Oberbürgermeister, Neues Rheinland 32/1963, S. 14-19.
[2] Stadtarchiv Meckenheim, Akte Amtskette
[3] General-Anzeiger, 8. September 1986
Meckenheims Rathäuser - Ein Blick in 428 Jahre Meckenheimer Geschichte
Sie sind der Verwaltungssitz der Stadtverwaltung und der Sitzungsort des Stadtrates – unsere Rathäuser. 2017 bezieht die Stadtverwaltung der Stadt Meckenheim ein neues Gebäude. Ein Anlass, an die Rathäuser zu erinnern, die es in Meckenheim gab.
Als älteste Rathäuser im deutschsprachigen Raum gelten die in Köln und Soest. Dass sie Symbol für Wohlstand und Machtstreben der Bürger einer Stadt waren, zeigen beispielsweise die Rathäuser in Bremen, Aachen, Münster oder der Frankfurter Römer. Anspruch und Selbstverständnis der städtischen Elite spiegelte sich in der oft reichhaltigen architektonischen Ausgestaltung der Gebäude wider. Aber selbst die Bürgerschaft einer kleinen Gemeinde wie Meckenheim hatte ein Gebäude, das als Versammlungsort diente, wenn es auch weitaus weniger aufwändig gestaltet war als die Rathäuser der großen Handelsstädte.
Meckenheim kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, die erste schriftliche Überlieferung stammt von 853. Der kleine Ort entstand aus zwei Fronhofsverbänden, dem des Bonner Stiftes St. Cassius sowie dem des Kölner Stiftes St. Maria ad Gradus. Die Gemeindebildung der Siedlung gelang spät, im Verlauf des 14. bis 15. Jahrhunderts, als auch die erste Ortsbefestigung angelegt wurde. Erst 1636 bekam der kleine Ort, als letzter im Kurfürstentum Köln, die Stadtrechte verliehen. Seine Bevölkerung, vor allem agrarwirtschaftlich orientiert, bestand aus Bauern und Handwerkern. Prägend für die Meckenheimer Geschichte wurde die Herrschaft der beiden Grundherren. Sie wirkte sich auch auf die Verwaltung der Gemeinde aus. Die Stifte setzten im Mittelalter Vögte ein, die auf die Einhaltung der grundherrlichen Rechte achteten, später waren es Amtmänner und der Gewaltschultheiß, die die Stifte in Meckenheim vertraten. Die auf beiden Fronhöfen eingesetzten Hofschultheißen waren nur für diese verantwortlich. Für die Gemeinde bedeutete dies, dass es eine selbstbestimmte Verwaltung des Ortes durch die Bürger nicht gab, da der Gewaltschultheiß die Gemeindeangelegenheiten entschied.[1] Im Mittelalter wurden von den Ortsherren für jede Grundherrschaft sieben, also insgesamt vierzehn Schöffen eingesetzt, später wurde ihre Zahl auf insgesamt sieben reduziert. Sie hielten mit dem Schultheißen die Hof- und Gerichtstage ab. In einer Steuerliste von um 1490 ist erstmals ein Bürgermeister[2] erwähnt, der später jährlich gewählt wurde. Er stand jedoch unter dem Schultheißen und hatte gemeinsam mit vier eingesetzten Ratsverwandten nur eine zweitrangige Stellung sowie begrenzte Rechte und Aufgaben.[3] Das änderte sich auch nicht, nachdem 1726 der Freiherr von Cler den Besitz und die Rechte des Mariengradenstiftes übernahm.
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Ein Bürgerhaus zum Zierrat der Stadt
Obwohl Hof- und Gerichtstage auf den Fronhöfen abgehalten wurden, gab es nachweisbar seit 1589 ein Rathaus, auch Bürgerhaus genannt. Auf Anordnung beider Stifte hatte der Schultheiß "das Burgerhauß in Meckenheimb für die Unterthanen und Schull verordnet und bawen lassen", woran jedes Stift mit 18 Talern beteiligt war. Unter dem Bürgerhaus hatte er "ein new fast dienlig gefengnus" machen lassen, weil das alte nicht mehr brauchbar war. Außerdem wurde vor dem Gebäude ein „Halsbandt gemacht und an das Burgerhauß geschlagen".[4] Diese Quelle ist nicht nur eine erste Information über eine Schule, sondern sie dokumentiert die bestimmende Stellung der Grundherren, da sie das Haus bauen ließen und sich mit dem Pranger auch das Zeichen ihrer Gerichtshoheit an einem für die Gemeinde bestimmten Haus befand.[5] Das Bürgerhaus stand an der Ecke Oberstraße (heute Hauptstraße) – Kirchgasse (heute Adolf-Kolping-Straße).[6] Hier war der Mittelpunkt des Ortes, teilte er sich in Oberstadt und Unterstadt. Auch die Rathäuser großer Städte waren oft Mehrzweckgebäude, die beispielsweise im Untergeschoss und Keller teils Verkaufsstände und Lagerräume hatten und im Obergeschoss Räume für Verwaltungszwecke und politische Handlungen. Über die Größe von Meckenheims Bürgerhaus sind keine Angaben überliefert. Ob es, wie in der Nachbarstadt Rheinbach, ein Fachwerkbau mit zwei Stockwerken war, darüber lässt sich nur mutmaßen. Holz und Nägel sowie die Anfertigung der Türe vor der Bürgerhausstube kosteten zwei Gulden.
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Wahrscheinlich wurde das Rathaus nicht vollständig fertig gebaut. In einem Brief, der nach 1636 geschrieben wurde, wandten sich Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt an beide Grundherren. Sie baten um einen Beitrag "zur Erbauung des angefangenen neuen" Rathauses. Der Bau sei bis zum "Aufschlagen" fertig; es wäre aber "hochschädlich", ihn zu bauen und ohne Dach über den Winter stehen zu lassen. Weil es jedoch unmöglich sei, einen solchen "kostbaren" Bau ohne Zutun der Grundherren allein aus den Mitteln der armen Bürgerschaft mit einem Schieferdach zu versehen, bitten sie in Anbetracht des Unvermögens der armen Bürger um eine Beihilfe, zumal dieser Bau "zur Zierat der Herrlichkeit und beiden Grundheren zu beliebigem Gebrauch gereiche".[7] 1659 klagen Bürgermeister und Rat über den Verfall des Rathauses. Sie seien zu unvermögend das „zu menniglich Spectaculum oedt und wüst liggende[s] Bürgerhauß“ reparieren zu lassen.[8]
Aus den Quellen ist nicht ersichtlich, ob das Rathaus beim großen Stadtbrand 1787 zerstört wurde. 1792 wird das Rathaus im Zusammenhang mit dem Protest des Ratsverwandten Michael Peters erwähnt, der sich beim Kurfürsten gegen die Abhaltung der Gerichtssitzungen im Meckenheimer Rathaus beschwerte.[9]
Die Französische Revolution von 1789 war das Ereignis, das auch das Rheinland und damit Meckenheim nachhaltig beeinflusste. Im Oktober 1794 hatten die Franzosen die linksrheinischen Gebiete erobert und 1801 annektiert. Sie begannen nun die eroberten Rheinlande an die rechtlichen und politischen sowie die administrativen Ordnungen Frankreichs anzugleichen. Der Zusammenbruch des Alten Reiches bedeutete nicht nur das Ende des Kurfürstentums Köln, sondern 1801 wurde durch die Säkularisation die Enteignung des geistlichen Besitzes begonnen. In Meckenheim verlor daher der verbliebene geistliche Grundherr, das Bonner Cassiusstift, seinen Besitz – eine über tausendjährige lokale Herrschaftsgeschichte war beendet. Die Zeit des der Meckenheimer Bürgerschaft vorstehenden Schultheißen war abgeschlossen. Als die neuen Munizipalverwaltungen im April 1798 ihre Arbeit aufnahmen, wurde Andreas Wachendorf aus Adendorf zum „Adjoint“ (Beigeordneter) ernannt. 1800 wurde das Präfektursystem eingeführt und die „Mairien“, die Bürgermeistereien, gegründet. Seit dem 25. Oktober 1800 übte Andreas Wachendorf das Amt als Maire, Bürgermeister, der neu gebildeten Mairie Adendorf aus. Zur Mairie gehörten neben Meckenheim die Gemeinden Merl, Lüftelberg, Ersdorf, Altendorf, Adendorf, Arzdorf sowie Fritzdorf. Den Maire unterstützten die Adjoints Henrich Hochscheid aus Meckenheim und Mathias Best aus Ersdorf. Zu vermuten ist, dass die Mairie nach der Gemeinde Adendorf benannt wurde, weil Wachendorf dort wohnte.
Wo übte der neue Maire – Bürgermeister sein Amt aus? Stand das alte Bürgerhaus noch und war es für die neuen Verwaltungen brauchbar, auch wenn diese nur klein waren? Die ersten fünf von den Franzosen bzw. Preußen eingesetzten Bürgermeister gingen ihren Amtsgeschäften in einem Amtshaus nach. Es ist fraglich, ob dieses Gemeindehaus mit dem alten Bürgerhaus identisch war. Eventuell wurde es doch beim Brand 1787 zerstört und ein neues Haus gebaut, was dann den ersten Bürgermeistern des 19. Jahrhunderts als Amts- und Wohnhaus diente.
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Eine Postkarte mit der Angabe „Meckenheim und Umgebung 1825“ zeigt verschiedene Meckenheimer Motive, aber auch die Kirchen in Rheinbach und Fritzdorf oder die Burg in Gelsdorf. Die Karte selbst ist später entstanden, im Verlag von Johann Heinrich Holthöwer in Meckenheim.[10] Als Vorlage haben ältere Darstellungen gedient. Auf welches Jahr sich genau die Ansicht des Hauses bezieht, unter der die Bezeichnung Bürgermeister steht, ist unklar. Es ist jedoch berechtigt anzunehmen, dass der Stich oder die Zeichnung das alte Meckenheimer Rathaus zeigt, welches an der Ecke Hauptstraße – Kirchstraße stand. Es wird nicht das im 16. und 17. Jahrhundert gebaute Bürgerhaus sein, sondern ein Nachfolger.
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Bürgermeister Hermann Joseph Schumacher (1833 – 1856) informierte 1833, dass er die Amtsgeschäfte aus dem Gemeindehaus in seine Privatwohnung verlegt habe, damit die Familie des verstorbenen Bürgermeisters Johann Christoph Wülffing (1814 – 1833) dort weiterhin wohnen konnte.[11] Ab 1833 nutzten die Meckenheimer Bürgermeister Räume in ihren Privathäusern, um ihren Amtsgeschäften nachzugehen. Aus dem Bürgerhaus, in dem bereits in zwei Räumen die Meckenheimer Kinder unterrichtet wurden, wurde später das Schulhaus. Auch die zwei oberen Räume, die als Schreibstube bzw. Wohnung gedient hatten, beherbergten nun Schulklassen. Hauptlehrer Theo Wiesel (1920 – 1950) berichtete 1951, dass das „75-jährige Fräulein Gretchen Hörnig, Besitzerin des Gasthofs „Zur Alten Post“ erzählt, war in dem alten Rathaus die Schule untergebracht. Ihr 1850 geborener Vater hat diese Schule besucht und ist auch aus ihr entlassen worden“. Nach 1870 sei das Gebäude abgerissen worden und die sogenannte Knabenschule wurde gebaut.
Bei seinem Amtsantritt 1883 teilte Bürgermeister Gerhard Christian Hartstein (1883 – 1917) dem Rheinbacher Landrat mit, dass er das „Amtslocal aus der Thiesen´schen Behausung“ in die Wohnung des Steuerempfängers Offermann an die Flerzheim-Bonner Straße verlegt habe.[12] Christian Thiesen war Meckenheims Bürgermeister von 1864 bis 1883.
Ein Bürgermeistereihaus an der Bahnhofstraße
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Sieben Jahre später, 1890, wandten sich die „Abgeordneten der Bürgermeisterei Adendorf“ in einem besonderen Anliegen an Bürgermeister Gerhard Christian Hartstein. Sie stellten fest, dass die meisten der umliegenden Ortschaften Bürgermeistereihäuser, also Rathäuser besaßen. In der Bürgermeisterei Adendorf sei jedoch kein Verwaltungsgebäude vorhanden. Die Abgeordneten teilten dem Bürgermeister mit, dass sie in der nächsten Bürgermeistereiversammlung beschließen werden „für die Bürgermeisterei ein Bürgermeistereihaus bestehend aus den zum Dienstgebrauch erforderlichen Amtsräumen und einer freien Wohnung für den zeitigen Bürgermeister zu erbauen.“ Um die Bürgermeistereikasse nicht zu belasten, sollten für den Bau die bei der Kreissparkasse angelegten Rechnungsbestände verwendet werden.
Am 2. März 1891 fand eine Sitzung der Bürgermeistereiversammlung statt, bei der von den 19 Mitgliedern der Bau eines Bürgermeistereihauses beschlossen wurde. Eine Baukommission wurde ernannt und Kreisbaumeister Wagner sollte die Bauleitung übernehmen.[13] Drei Grundstücke standen zur Wahl. Eines, der in der Bahnhofstraße gelegene sogenannte „Koerfgens-Garten“, dessen Eigentümer Bürgermeister Hartstein war, wurde als geeignet angesehen. Für insgesamt 1.200 Mark, was der Selbstkostenpreis sei, wie Hartstein betonte, kaufte die Bürgermeisterei das Grundstück, das an der Bahnhofstraße lag. Der Bau sollte die Summe von 18.000 Mark nicht übersteigen.[14]
Die Kommission prüfte verschiedene Pläne und beschloss einstimmig, „das betr. Gebäude nach dem vorbezeichneten Project des Herrn Kreisbaumeisters Wagner vom 29. Juli auszuführen und diese Ausführung den vorbemerkten Plan und Kostenanschlag zum Grunde zu legen.“[15] Ebenso wurde beschlossen, mit der Bekanntmachung und Ausführung sofort zu beginnen, solche im Bonner General-Anzeiger 3 Mal und im Kreisblatt zu Rheinbach und in der Meckenheimer Zeitung 2 Mal auszuschreiben.
Der folgende Text wurde in den Zeitungen veröffentlicht: „Die zum Bau eines Bürgermeisterei Gebäudes in Meckenheim erforderlichen Arbeiten u. Lieferungen sollen zusammen oder getrennt vergeben werden. Zeichnungen, Kostenanschlag, Bedingungen etc. können auf dem Bureau des Unterzeichneten in den Stunden von 9 bis 12 Uhr Vormittags eingesehen werden. Die verschlossenen, mit entsprech. Aufschrift verseh. schriftlichen Angebote sind bis zum 15. August Nachmitt. 4 ½ Uhr bei mir einzureichen woselbst auf deren Eröffnung am selben Tage Nachmitt. 5 Uhr in Gegenwart der etwa erschienenen Bieter erfolgt.
Meckenheim, den 1. August 1891. Der Bürgermeister. Hartstein“[16]
Insgesamt 26 Angebote gingen ein, zum größten Teil von Meckenheimer Firmen, aber auch von Firmen aus Gelsdorf, Witterschlick oder Kessenich. Die Kommission beschloss, „dem Ger(har)d und Christian Fey in Meckenheim die Arbeiten und Lieferungen zu dem abgegebenen Gebote von 8% unter dem Kostenanschlag, daß sind 1440 Mark zu übertragen.“[17] Am 21. August 1891 wurde der Vertrag unterzeichnet, in dem sich Feys verpflichteten, die Pläne, den Kostenanschlag und die speziellen Bedingungen einzuhalten.
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Bereits im August 1892 berichtete Hartstein dem Landrat: „Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich hierdurch gehorsamst anzuzeigen, dass das Amtslocal des unterzeichneten Bürgermeisters sich von Montag den 15. ds. Mts. [August] ab, in dem auf der Bahnhofstraße dahier neu erbauten Dienstgebäude befindet.“[18]
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Bereits im 19. Jahrhundert wurden öffentliche Bauten letztlich teurer als geplant. Das verdeutlicht eine Beschwerde des Buchbinders und Schreibwarenhändlers Peter Beissel über Bürgermeister Hartstein beim Landrat von 1895. Beissel war bis zur Amtseinführung Hartsteins Bürgermeistereisekretär. Nach dessen Übernahme des Amtes wurde er auf Veranlassung Hartsteins entlassen, was ihn zu vielen Klagen gegen diesen veranlasste.
Hartstein rechtfertigte die Mehrausgaben.
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Es sei bei der Planung kein Wasseranschluss und kein „Ökonomiegebäude“ geplant worden. Daher habe man, um den Bau beginnen zu können, einen Brunnen mit Pumpe und ein Nebengebäude mit Waschküche, Raum für Holz und Kohlen, einen kleinen Stallraum und eine Düngergrube aufrichten müssen. Nach Plan bestand das Erdgeschoss des neuen Dienstgebäudes aus zwei Büroräumen, einem Sprechzimmer und der Registratur. In der ersten Etage war die Wohnung des Bürgermeisters, fünf Zimmer und eine Küche sowie auf dem Speicher vier Gesindestuben.
Die Mehr- und Nebenarbeiten beliefen sich auf ca. 9.800 Mark berief sich Hartstein auf eine Schätzung des Kreisbaumeisters. Eine genaue Summe könne er nicht nennen, da der Bau noch nicht endgültig abgenommen sei, „und zwar deshalb nicht, weil sich erfahrungsmäßig bei jedem Neubau etwaige Mängel und Fehler erst nachher zeigen.“[19]
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Außerdem weist Hartstein empört darauf hin, dass er der Bürgermeisterei zehn Jahre zwei Büroräume in seiner Wohnung zur Verfügung gestellt habe, die er unentgeltlich geheizt, beleuchtet und gereinigt habe, was ihn mindestens 400 Mark jährlich gekostet habe. Auch die Baustelle für das neue Amtshaus habe er der Bürgermeisterei für 1.200 Mark überlassen, obwohl sich seine Kosten für das Grundstück auf 3.600 Mark belaufen hatten. Sämtliche Dienstreisen bezahle er obendrein selbst.[20]
1897 beschwerte sich Kreisbaumeister Wagner, dass er das für die Bauleitung vereinbarte Geld von 947,90 Mark noch nicht erhalten habe. Dabei erwähnte er auch eine Gesamtsumme von 30.271 Mark, die der Bau des Bürgermeistereihauses gekostet habe. Die veranschlagten Kosten von 18.000 Mark wurden demnach erheblich überschritten.
Bürgermeister Hartstein vermietete 1903 für die Bürgermeisterei die Wohnung bestehend aus 4 Zimmern in der 1. Etage und 3 Zimmern in der 2. Etage sowie die Hälfte des Hausgartens, die Waschküche im Anbau und den linken Teil des Stalls für jährlich 200 Mark an den „königlichen Forstaufseher“ Theodor Proeser. Neben den Büros im Erdgeschoss verfügte die Amtsverwaltung über zwei Zimmer im Speicher für ihre Akten.
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Bis auf die Amtskasse waren nun alle Verwaltungsräume im Bürgermeistereihaus in der Bahnhofstraße untergebracht. Die Kasse befand sich in einem Haus am heutigen Kirchplatz, dem damaligen Marktplatz. 1937 sollte die Kasse in das nun Bürgermeisteramt genannte Gebäude verlegt werden. Dazu plante der Bonner Architekt Karl Oldag „die Trennmauer zwischen den beiden vorderen Zimmern links des Eingangsflures“ herauszunehmen und einen „Zahltisch mit einer Durchgangsklappe“ einzubauen. „Rechts des Altbaus soll ein eingeschossiger Anbau errichtet werden. Der jetzige Flur wird verlängert. Hierdurch entstehen zwei Büros und ein Zimmer, welches als Konferenzzimmer und Trauzimmer benutzt wird.“[21] Das Trauzimmer sollte „einfach und würdig“ ausgestattet werden. Der Anbau wurde schließlich an die linke Seite des Bürgermeisteramtes gesetzt.
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Da die Altstadt im Zweiten Weltkrieg, am 2. und 5. März 1945, zu einem großen Teil zerstört wurde, riefen der historisch interessierte Amtsdirektor Hermann Schoßier (1949 - 1954) sowie Oberpfarrer Heinrich Broelsch (1944 – 1960) 1951 dazu auf, Gegenstände und Schriftstücke, welche die Geschichte Meckenheims dokumentieren, bei der Verwaltung abzugeben. Schoßier plante nämlich in der Unteren Mühle ein Stadtarchiv und ein kleines Museum einzurichten. Der langjährige Lehrer Theo Wiesel erinnerte sich nun, dass er nach der Bombardierung ein wertvolles Andenken an das alte Rathaus gerettet hatte. Auf dem Dach des Rathauses war eine Wetterfahne angebracht, die bei seinem Abriss im Bauschutt lag. Der Wirt des Restaurants „Zur Glocke“, August Nierendorf, nahm die Wetterfahne an sich. Die aus Metall bestehende Wetterfahne stellt eine Meerjungfrau dar, in sie sind die Jahreszahl 1663 und das kurkölnische Kreuz eingestanzt. Nierendorf befestigte sie in seinem Restaurant an der Wand. Als er ein Gastzimmer als eine Bauernstube einrichten ließ, wurde die Wetterfahne in einen kleinen Kronleuchter eingebaut. Im März 1945 wurde das Gasthaus „Zur Glocke“ zerstört, Lehrer Wiesel barg den Kronleuchter aus den Trümmern und gab sie 1951 an Amtsdirektor Schoßier weiter. Sie wurde aus dem Kronleuchter entfernt und in der Stadtverwaltung aufbewahrt. Später zierte sie eine Wand des Foyers im Rathaus an der Bahnhofstraße.
1945 begann man, Pläne zum Wiederaufbau der Stadt zu machen. Dabei stand auch der Bau eines neuen Rathauses im Zentrum der Altstadt, neben der katholischen Pfarrkirche zur Diskussion. Dort hatte der Fronhof des Cassiusstiftes gestanden, später der Landgut- und Baustoffhandel von Friedrich Steffens sowie die „Villa Steffens“, eine Gründerzeitvilla, die jedoch bei der Bombardierung Meckenheims schwer beschädigt wurde. Die Stadt Meckenheim kaufte Haus und Grundstück. Allerdings wurden die Pläne nicht umgesetzt.
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Das Rathaus nach 1965
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Die Stadt Meckenheim wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders nach der Gründung der Entwicklungsgesellschaft Meckenheim-Merl 1962. Mit ihr wuchsen auch die Verwaltungsaufgaben, so dass es an genügend Räumen für die städtischen Mitarbeiter mangelte. 1965 wurde daher mit der Planung einer Erweiterung des Rathauses begonnen. Acht Büroräume in einem erdgeschossigen Trakt sollten längs der Grenze zum linken Nachbarn in der gesamten Grundstückstiefe gebaut werden. Dadurch blieb eine Hoffläche erhalten, die als Parkfläche für PKW diente. Der Platz im hinteren Teil dieses Hofes war in der 1960er Jahren noch als Wäscheplatz vorgesehen, heute sind dort Garagen gebaut.
Die räumliche Verbindung zum Altbau wurde durch einen vom Hof zugänglichen „Windfang“ geschaffen. Hier war ein kleiner 1 ½ geschossiger Anbau, der nun bis auf ein Geschoss abgetragen wurde. Auch eine neue WC-Anlage entstand im Anbau, so dass die alte Anlage im Treppenhaus abgerissen werden konnte.[22] 1966 wurden diese Pläne realisiert und das Rathaus in der Bahnhofstraße erhielt die Gestalt, die Meckenheims Bürgerinnen und Bürger bis heute kennen.
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Allerdings reichten die Räume für die stetig wachsende Verwaltung nie aus. Zahlreiche Meckenheimerinnen und Meckenheimer werden sich noch daran erinnern, dass der Stadtrat viele Jahre in der Hauptstraße 10 tagte, außerdem arbeiteten die Mitarbeiter von Stadtkasse, Steueramt, Kämmerei und Stadtwerken in diesem Verwaltungsgebäude.
In der Hauptstraße 28 waren das damalige Einwohnermeldeamt und das Ordnungsamt untergebracht. Das Sozialamt hatte seinen Standort im EMM-Gebäude am Neuen Markt. Erst als 2000 das Verwaltungsgebäude Reginahof bezogen wurde, konnten die Außenstellen der Stadtverwaltung aufgegeben werden. Der Stadtrat und seine Ausschüsse tagten zur dieser Zeit bereits seit einigen Jahren in den Sitzungsräumen im Ruhrfeld. Dort fand auch das neue Meckenheimer Jugendamt seinen Platz.
Planungen für ein neues Rathaus
Die Übernahme neuer Aufgaben, die immer komplexer werdenden Arbeitsgebiete bedingen, dass eine Verwaltung stetig wächst. Bei der Planung der neuen Stadt war zwar ein Rathausgrundstück am Neuen Markt reserviert worden, dieses wurde jedoch für den Bau einer Senioreneinrichtung genutzt.[23]
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Gleichzeitig stieg der Bedarf an weiteren Büros für die steigende Mitarbeiterzahl, die an vier unterschiedlichen Standorten arbeiteten. Die Verwaltungsspitze begann sich daher ab 2010 intensiv mit der Zentralisierung der Stadtverwaltung zu befassen, um ein modernes und zeitgemäßes neues Rathaus zu planen. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ergab, dass ein Rathausneubau am Standort Siebengebirgsring in Verbindung mit der Sanierung der Jungholzhalle im ÖPP-Inhabermodell (öffentlich-private Partnerschaft) die größten wirtschaftlichen Vorteile erwachsen lasse.
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Am 23. November 2011 fasste der Stadtrat den Grundsatzbeschluss, die Verwaltung zu beauftragen mit den nötigen vergaberechtlichen und baurechtlichen Verfahrensschritten für den Neubau zu beginnen. Im Juli 2013 wurde die öffentliche Vergabebekanntmachung im Supplement des EU-Amtsblattes veröffentlicht. Insgesamt sieben Unternehmen hatten bis Juni 2014 ein Angebot abgegeben. Nach zwei Auswertungsrunden fiel die Entscheidung des Stadtrates für den Neubau von Rathaus und Jungholzhalle am 10. Dezember 2014 auf die Firma Goldbeck West GmbH. In den nächsten zehn Monaten bis Oktober 2015 stagnierte die Planung, da die vom Rat getroffene Vergabeentscheidung von einem unterlegenen Bieter vor der Vergabekammer angegriffen wurde. Aber auch diese Hürde konnte letztlich im September 2015 genommen werden.
Bürgermeister, Verwaltungsvorstand und Rat freuten sich, am 15. April 2016 zur Grundsteinlegung für den neuen Bau einladen zu können.[24] Geplant und schließlich ausgeführt wurde ein viergeschossiges Gebäude, dessen Räumlichkeiten sich um einen zentralen begrünten Innenhof ordnen mit einer Brutto-Grundfläche von ca. 6000 m2.
An ein zweigeschossiges Foyer als Verbindungsgebäude mit Zugang zum Verwaltungs- und Besprechungsbereich sowie dem Ratssaal grenzt die neue Jungholzhalle für Veranstaltungen mit bis zu 800 Besuchern. Bereits am 9. September 2016 konnte das Richtfest gefeiert werden. Nach dem Umzug der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus vier verschiedenen Standorten in das neue Rathaus, das die Adresse Siebengebirgsring 4 hat, wurde am 23. Juni 2017 die Eröffnung gefeiert. Am 24. Juni 2017 wurde das Rathaus dann in einem Tag der offenen Tür den Meckenheimer Bürgern vorgestellt.
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[1] LA NRW, Unterherrschaft Meckenheim, Akten Nr. 32 In späteren Quellen wird der Begriff Gewaltschultheiß nicht mehr verwendet, sondern der Amtsinhaber Schultheiß genannt; diese Bezeichnung wird im Folgenden übernommen.
[2] LA NRW, Kurköln II 5109
[3] LA NRW. Kurköln II 5106
[4] StAM, Archiv von Cler Nr. 26
[5] Klaus Flink, Vom Fronhof zur feld statt, in: Studien und Quellen zur Geschichte der Stadt Meckenheim, Bd. 1, Meckenheim 1977, S. 60
[6] vgl. Anm. 5, S. 67
[7] StAM, Archiv von Cler, Nr. 82
[8] LA NRW, Unterherrschaft Meckenheim, Akten Nr. 20 a
[9] LA NRW, Kurköln II, Teil I, 5320
[10] Johann Heinrich Holthöwer war Buchbinder, sein Sohn auch Fotograf. Sein Wohnhaus und Geschäft hatte er in der Hauptstraße. Später wurde an seine Stelle Café und Bäckerei Rausch gebaut, das spätere Hotel und Restaurant.
[11] StAM, Amt Meckenheim Nr. 204
[12] LA NRW, Landratsamt Rheinbach Nr. 88
[13] StAM, Amt Meckenheim Nr. 60
[14] StAM, Amt Meckenheim Nr. 989
[15] vgl. Anm. 12
[16] vgl. Anm. 12
[17] vgl. Anm. 12
[18] vgl. Anm. 11
[19] LA NRW, Landratsamt Rheinbach Nr. 89
[20] vgl. Anm. 18
[21] Stadt Meckenheim, Bauakte
[22] vgl. Anm. 20
[23] Hier befindet sich heute das Johanniter-Stift Meckenheim
[24] Die in den Grundstein eingemauerte Zeitkapsel enthält eine Urkunde, EURO-Münzen, die Rede des Bürgermeisters, Baupläne, je eine Ausgabe des Bonner General-Anzeigers und der Bonner Rundschau sowie den Grundsatzentschluss des Rates von 23. November 2011.
Bildverzeichnis
Bild 1: Rechnung des Schultheißen zu Meckenheim Johann Schüller für das Mariengradenstift von 1584. (StAM, Archiv von Cler Nr. 26)
Bild 2: Brief des Bürgermeisters, der Schöffen und des Rates der Stadt Meckenheim an Dechant und Kapitel des Stiftes Mariengraden wegen einer Beisteuer zur Erbauung des angefangenen neuen Rathauses. (StAM, Archiv von Cler, Nr. 82)
Bild 3: Postkarte Meckenheim und Umgebung 1825. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 4: Abbildung des Rathauses auf der Postkarte Meckenheim und Umgebung 1825. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 5: Bürgermeister Christian Thiesen. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 6: Bürgermeister Christian Hartstein. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 7: Das Bürgermeisteramt an der Bahnhofstraße um 1910. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 8: Luftbild des Rathauses um 1960. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 9: Das Rathaus um 1960. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 10: Bauzeichnung des Rathauses 1939. (Stadt Meckenheim, Bauakte)
Bild 11: Zeichnung: Das Rathaus neben der Pfarrkirche auf dem Gelände des ehemaligen Fronhofes. (StAM, Bild- und Kartensammlung)
Bild 12: Bau eines neuen Treppenhauses 1975. (Stadt Meckenheim, Bauakte)
Bild 13: Rückseite des Rathauses um 1970. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 14: Hauptstraße 10 – mittleres. Grünes Haus - um 1980. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 15: Das Rathaus in den 1980er Jahren. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 16: Das Rathaus um 2003. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 17: Grundsteinlegung am 15. April 2016; v.l. Landrat Sebastian Schuster, Bürgermeister Bert Spilles, Hans Walter Klein, Geschäftsführer Fa. Goldbeck Monheim, Architekt Gunnar Ramsfjell. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 18: Urkunde in der Zeitkapsel des Grundsteins. (StAM, Fotoarchiv)
Bild 19: Das neue Meckenheimer Rathaus am Siebengebirgsring. (Stadt Meckenheim)
Bild 20: Die Wetterfahne des alten Rathauses. (StAM, Fotoarchiv)
© Stadt Meckenheim 2017
Stadtarchiv, Siebengebirgsring 4, 53340 Meckenheim
Text Ingrid Sönnert M.A.
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