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Digitalisiertes Gesundheitswesen
Chancen mit Nebenwirkungen?
„Nutzen Sie eine Gesundheits-App?“ Mit dieser harmlos erscheinenden Frage leitete Frau Professor Thun, Direktorin des Competence Center eHealth an der Hochschule Niederrhein, ihren Vortrag „Digitalisiertes Gesundheitswesen – Chancen mit Nebenwirkungen?“ ein. Schnell wurden mit den Teilnehmern unterschiedliche Gesundheits-Apps behandelt, von denen es mittlerweile über 250.000 für das Smartphone gibt. Tendenz steigend. Neben themenspezifischen Apps, z.B. für Diabetiker, wurden einige Apps behandelt, die Bewegung, Schlafverhalten, Körperdaten und/oder Wohlbefinden auswerten. Die Menschen wollen gesünder leben und hoffen auf die Aussagekraft der Apps, so die Ärztin und Diplomingenieurin.
„Aber was passiert eigentlich mit den von Ihnen in die Apps eingetragenen Daten – wem nützen sie?“ Diese leicht provokante Frage führte zu einer regen Diskussion über Datennutzung und Datennutzbarkeit. Einigkeit bestand darin, dass die Nutzbarkeit durch den eigenen (Haus-)Arzt sinnvoll wäre – wenn der Patient dieses wünschen würde. Leider fehlten hier jedoch wesentliche Schnittstellen für die Anbindung von Apps an das System des Hausarztes. Erstaunlicherweise, denn viele Gesundheits-Apps würden von Krankenkassen entwickelt oder finanziert und von diesen ausgewertet – teilweise offensichtlich, teilweise weniger offensichtlich. Auch andere App-Entwickler und Smartphone Hersteller würden die eingegebenen Daten sammeln, jedoch nicht zum Nutzen der Nutzer, sondern für die eigene Verwertung. Überraschend wäre zudem, dass früher bei Volkszählungen die Bürger noch auf die Straße gegangen seien, um ihre Daten zu schützen und heute viel umfassendere, persönliche Daten von den Bürgerinnen und Bürgern für „ein kostenloses Handtuch für Appnutzer“ freiwillig den Apps offenbart würden.
Die Referentin, die weltweit in Sachen eHealth unterwegs ist und zu „Deutschlands digitalen Köpfen“ zählt, zeigte auf, dass bei der Nutzung der elektronischen Daten nicht neue Tarifmodelle der Krankenkassen im Fokus stehen sollten, sondern vielmehr der Patient. Dieser müsste Herr über sämtliche vorhandenen Gesundheitsdaten sein, um diese dem Arzt seines Vertrauens zur Verfügung stellen zu können. Die elektronische Gesundheitskarte sollte ein Schlüssel für die elektronische Gesundheitsakte sein. Letztere erscheint zumindest in Deutschland noch in weiter Ferne zu sein, obwohl das Thema seit Jahren vom Bund bearbeitet wird. Derzeit seien die Gesundheitsdaten aufgeteilt in den Krankenakten der jeweils besuchten Ärzte. Lediglich die Krankenkassen hätten über ihre Kunden ein zentrales Wissen über die Arztbefunde und Medikamentenverschreibungen – Wissen welches jedem Arzt bei der Behandlung seines Patienten helfen könnte – zumal Wissen, welches eigentlich dem Patienten selbst zugänglich sein sollte. Eine elektronische Gesundheitsakte, die alle Gesundheitsdaten des Patienten bei den Arztbesuchen zusammenführt und die ggfs mit Daten aus einer Gesundheits-App selbstbestimmt durch den Patienten ergänzt werden könnte, würde zu einer sinnvollen Nutzung der digitalen Möglichkeiten führen. Und durch die effizientere Beratung der Ärzte aufgrund umfassenderer Gesundheitsdaten dem Patienten helfen, wirklich ein gesünderes Leben zu führen. Dies würde dann ja auch der Gesellschaft und den Krankenkassen wirklich nützen.
Ein spannender und zum Wachrütteln anregender Abend, in dessen Verlauf auch noch weitere Themenfelder aus dem Bereich des eHealth, wie die Telemedizin, behandelt wurden, aber auch die bürokratischen Hürden, die Deutschland den Sprung in die Digitalisierung schwer machen. Derweil ziehen andere Länder am propagierten Innovationsstandort Deutschland digital vorbei.
Die Veranstaltungsreihe „Gesellschaft im Wandel: Die Digitalisierung“ der Volkshochschule Meckenheim Rheinbach Swisttal mit Wachtberg wird am 24. September durch den Publizisten und Philosophen Richard David Precht unter dem Thema „Digital schafft die Gesellschaft“ fortgesetzt.
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