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Kleine Beiträge zur Meckenheimer Geschichte 1
Holz – ein unentbehrlicher Naturstoff für Meckenheim
Die Rechte der Meckenheimer am Kottenforst in der Frühen Neuzeit
von Ingrid Sönnert M.A., Stadtarchiv Meckenheim
„Mich wundert, wo unser Gott Holz nimmet zu so mancherlei Brauch für alle Menschen in der ganzen weiten Welt, als Bauholz, Brennholz, Tischlerholz, Böttigerholz, Stellmacherholz, Holz zu Stuben, Schubkarn, Schaufeln, zu hölzern Kandeln, zu Fassen, Gelten etc. Und wer kann allen Brauch des Holzes erzählen? In Summa, Holz ist der größten und nöthigsten Dinge eines in der Welt, des man bedarf und nicht entbehren kann.“1 Diese Gedanken Martin Luthers treffen sich mit dem Motto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals, der unter dem Motto „Holz“ steht. Der Begriff „Holz“ ist eng verbunden mit dem Begriff „Wald“, denn dieser liefert gestern wie heute die bis weit in das 19. Jahrhundert unersetzliche Zentralressource Holz.
Ein Blick in Urkunden und Akten des Meckenheimer Stadtarchivs zeigt, dass die Menschen der vorindustriellen Zeit Ansprüche der unterschiedlichsten Art an den Wald stellten. Der Wald lieferte das Holz. Außerdem diente der Wald zu Viehzucht und Jagd.
Vor den Toren Meckenheims liegt der Kottenforst, der heute vor allem als Wander- und Erholungsgebiet dient. Für die Vorfahren der heutigen Meckenheimer war der Kottenforst jedoch als Lieferant von Bau- und Brennholz äußerst wichtig. Außerdem nutzten sie die Früchte der Bäume zur Schweinemast. Bereits im 9. Jahrhundert wurde der Kottenforst anlässlich eines Besitzwechsels der Waldmark an das Kloster Prüm genannt. Als das Jagdrecht im Kottenforst 973 dem Kölner Erzbischof übertragen wurde, stellte die Kanzlei Kaiser Otto II. darüber eine Urkunde aus, in der die Grenzen des Waldes beschrieben sind.
Wälder befanden sich im Besitz von königlichen, adeligen oder kirchlichen Grundherren. Denn diese erkannten rasch, dass das Eigentum an Wäldern die Geldtaschen füllte. Sehr bald war auch das Recht, in den Wäldern zu jagen, ein Privileg der Herrschenden. Der Kottenforst befand sich einst in königlichem Besitz, dann ging das Recht, ihn zu nutzen, an den Kölner Erzbischof über. Erzbischof Anno, der 1064 die Siegburger Abtei gründete, schenkte ihr, neben vielen anderen Gütern, auch den Kottenforst. Jahrhundertelang blieben nun die jeweiligen Äbte zu Siegburg Grundherren des großen Waldgebietes. Um ihre Rechte zu schützen, zeichneten Grundherren diese in sogenannten Weistümern auf. Ein Weistum der Rechte des Abtes und des größten Meckenheimer Grundherren, des Mariengradenstiftes in Köln, vom 2. Januar 1550 dokumentiert auch die Rechte und Pflichten der Meckenheimer Lehnleute des Stiftes.2
Mariengraden besaß 21 Lehen in Meckenheim, mit einem Lehen war der Erbförster auf dem Stapelhof belehnt. Dieser hatte einmal jährlich, am Neujahrstag, den Dienern des Siegburger Abtes, den Meckenheimer Schöffen und den Förstern ein Essen zu geben. Die Lehnsleute hatten am gleichen Tag, „wan die meeß auß ist, wan daß essen ahngeht“3, ihre Pachtabgaben für die Waldnutzung zu zahlen. Von jedem Lehen erhielt der Abt einen Malter Gerste, ein Huhn und drei Schilling. Die Meckenheimer hatten das Recht, Eichenholz zum Hausbau zu schlagen sowie Brennholz. Fällte ein Lehnsmann allerdings mehr Holz als er benötigte und wurde dabei vom Förster überrascht, hatte er fünf Schilling Buße zu zahlen. Gelang es ihm jedoch mit dem Holz das Stadttor zu erreichen, blieb er straffrei. Ebenso wichtig war das Recht, Schweine zur Eckernmast in den Kottenforst zu treiben, „waß er auf seinem Trogh erzogen und in seinem Hauß gebrauchet“. Die Anzahl der Schweine, die zur Mast in den Wald getrieben wurde, variierte. Meist werden 10 Schweine für ein ganzes und 5 Schweine für ein halbes Lehen angegeben. Ein Auszug aus einem Meckenheimer Lehnsweistum über die Kottenforster Gerechtigkeit von 1633 beschreibt wie die Anzahl der Schweine insgesamt festgesetzt wurde. „Wenn die Ecker wächst, werden alle auf dem Kottenforst anerbigen Herren und Lehnsleute durch den Kellner von Poppelsdorf auf einen Platz im Busch geladen, um die Ecker zu besichtigen. Nach dem Befund der Ecker wird geschätzt, ob 1000, 2000 oder 3000 Schweine zu treiben seien.“4 Zusätzlich durfte während des ganzen Jahres Hornvieh im Wald geweidet werden. Der Erbförster erhielt für jedes Tier am Freitag vor dem Fest Johann Baptist5
einen Pfennig. Bis er sein Geld erhalten hatte, mussten die Stadttore geschlossen bleiben, Die Schweinemast dauerte ca. sechs Wochen, für die jeder Lehnsmann sechs Mark zahlte. Nach sechs Wochen war es dem Abt gestattet, den „Förstling“ – ein Schwein – aus jeder Herde zu nehmen.6
Auch die Lehnsleute des Cassiusstiftes, des zweiten großen Meckenheimer Grundherren, holten Bau- und Brennholz aus dem Kottenforst und trieben Vieh ein. Der Pächter des Fronhofes holte jährlich 8 Wagen Brandholz aus dem Kottenforst. Zum Kölnhof, dem Hof des Erzbischofs von Köln in Meckenheim, gehörten 1454 auch 24 Morgen Wald, der von den 46 angehörigen Leuten genutzt wurde.7 Die Junker von Meckenheim besaßen den „Hambuch“, ein Waldstück zwischen Meckenheim und Lüftelberg.8
Auf dem der Abtei Siegburg gehörenden Gut Muffendorf wurde regelmäßig ein Waldgericht abgehalten. Die Besitzer der Güter Odenhausen, Münchhausen und zweier Höfe in Friesdorf, hatten auf die Einhaltung der Rechte der Siegburger Abtei zu achten. Aber nicht jeder folgte ihren Anweisungen. Es war beispielsweise der Herr des Schlosses Gudenau, der auch Grundherr in Merl war, welcher sich überreichlich Bau- und Brennholz aus dem Wald holte. Es kam zu langen Streitigkeiten, die erst 1663 ein Ende fanden, als Walbott zu Gudenau Odenhausen kaufte und nun selbst für die Aufrechterhaltung der Waldordnung zuständig war. Die Abtei Siegburg verkaufte schließlich den Wald 1549 an den Kurfürsten. Der versuchte auf dem Muffendorfer Waldgericht u.a. den Einwohnern von Lüftelberg und Merl das Nutzrecht am Wald zu verweigern, was jedoch misslang.
Die Nutzung des Waldes beinhaltete stets ein Konfliktpotenzial zwischen Landesherren und ländlicher Bevölkerung. Die finanziell lukrative Holzproduktion gewann für die Landesherren eine immer größere Bedeutung. Insbesondere die agrarische Nutzung des Waldes durch die Landbevölkerung musste immer mehr zurückstehen.
Am Landwirtschaftswald waren die Landesherren überwiegend indirekt interessiert. Sie bezogen von Viehzucht und Ackerbau, unabhängig davon, ob diese im Kammer- oder Gemeindewald stattfanden, geldliche und naturale Abgaben. Die Funktionsfähigkeit der Landwirtschaft war für die Landesherren überdies unerlässlich, um Steuern erheben und die Bevölkerung ernähren zu können. Aus diesen finanziellen und naturalen Belangen entstand das hoheitliche Streben, die agrarische Nutzung des Waldes zu reglementieren und später auch einzudämmen.9
Die Beispiele für Streit um die Rechte der Meckenheimer am Wald sind vielfältig. 1550 beklagten sich Meckenheimer bei beiden Stiftskapiteln, der Erzbischof habe ihnen bei schwerer Strafe jede Nutzung des Waldes untersagt hat - das sei gegen das Recht der Kapitels und der Lehnsleute.
In einer weiteren Eingabe unmittelbar an den Erzbischof klagen die Lehnsleute, dass sie anstelle der gewöhnlich für einen Förstling zu zahlenden 6 Mark jetzt 4 oder 5 Taler geben sollen.10 1611 klagen beide Grundherren dem Kölner Erzbischof, sein Kellner zu Poppelsdorf, Gerhardt Lolman, habe die Kühe von Meckenheim weggetrieben. Sie bitten den Erzbischof, die Störung der Viehzucht zu verbieten.11
Der Kottenforst wurde intensiv von den Menschen in den an den Wald grenzenden Gemeinden genutzt, was sich auf die Hege und Pflege des Waldes oft ungünstig auswirkte. Die Waldweidewirtschaft, auf welche die Menschen angewiesen waren, verhinderte oft eine Regeneration des Waldes.12 Verstärktes Brenn- oder Bauholzschlagen führten in einigen Gegenden dazu, dass die Wälder in der Nähe vieler Ortschaften verödeten. Den Zustand des Kottenforstes beschreibt ein Brief des Kurfürsten an das Kapitel von Mariengraden 1612. Der Kottenforst sei durch unberechtigte Nachbarn und Untertanen, auch durch die Berechtigten selber dermaßen verwüstet, verheert und verdorben, dass in Kürze der völlige Untergang des Waldes zu erwarten sei.13 Der Kurfürst befahl, dass alle berechtigten Anerben sich einige Zeit "des Buschs enthalten sollen“, weil er demnächst eine allgemeine Waldordnung erlassen werde, durch die der Busch bewahrt und jedem das, wozu er berechtigt ist, verabfolgt werden könne.14 Eine Waldordnung regelte die Nutzung der Wälder und schrieb vor, wer für die Überwachung der Einhaltung verantwortlich war. Am 11. September 1612 sollten die kurfürstlichen Räte im „Kottenforst am Tiergarten“ über die Waldordnung beraten, die schließlich auch erstellt wurde.15 Beispielsweise wurde die Anzahl der Mastschweine begrenzt.
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein blieben der Wald und das Holz für Meckenheim wichtig. Als die Franzosen unter Napoleon die linksrheinischen Gebiete eroberten, die Napoleon 1801 annektierte, waren die Meckenheimer besorgt um ihre Rechte am Kottenforst. "Überzeugt, daß die Französische Nation die hiesigen Landsbewohner bei ihren alten Gerechtsamen belaßen und jeden Eintzelnen bei seinem Eigenthum schützen wolle", werden sie wegen des trotz zweimaliger Eingaben noch nicht angewiesenen Lehnholzes und Forstbaums zum dritten Mal vorstellig und benennen den Waldförster zur Venne, Bürger Wentzel, sowie die Jäger Schönewald und Soutzca als Zeugen für die Rechtmäßigkeit der stets erfolgten Anweisung. Sie wüssten nicht, weshalb sie, "die arme Lehnmänner, die den Holtzgenuß so theuer, nemblich mit 20 Malter Gerste, verzinßen müßen, bei dieser höchstbedrangten Zeit und äusserst kalten Witterung darauf so lang und bis in gegenwartiges Jahr warten und für Kälte erstarren müssen". In der Annahme, dass der Forstmeister Ostler wegen seiner vielen Geschäfte und Reisen bald in diese und bald in jene Gegend an der Weisung verhindert werde, bitten sie, diese dem Waldförster Wentzel aufzutragen, der sie schon 30 Jahre "ausgezeichnet und angewiesen habe".16
1807 reichte die Gemeinde Meckenheim eine Eingabe wegen der Rechte am Kottenforst beim Präfektur-Rat des Rhein- und Mosel-Departements ein, der am 2. Dezember 1808 entschied: „Die Gemeinde Meckenheim wird im Recht des Weidgangs für das Hornvieh im kaiserlichen Wald, genannt Kottenforst, sowie in dem Recht, jährlich einen Baum zum Bauen zu fällen, gehandhabt. Die Lehnsleute der von St. Maria ad gradus in Köln herkommenden Güter werden gehandhabt:
1. im Recht der Eicheltrift für die zu ihrem Bedarf aufgezogenen Schweine, deren Anzahl aber 10 nicht überschreiten darf und jährlich nach der Ergiebigkeit der Eichelernte festgelegt wird.
2. im Recht auf zwei Karren oder einem1 Klafter Brandholz, für jeden Lehnsmann zu nehmen "auf Stock oder Klafter" nach Vermögen des Buschs.
3. im Recht auf Bauholz, für jeden jährlich einen Baum, der zwei Block, jeder 12 Schuh lang und zwei Schuh dick, enthalten muss; Brand- und Bauholz sollen ihnen jährlich durch die Forstverwaltung "gezeichnet" werden.
In vorstehendem Artikel ist weder der Erbförster des Kottenforstes, der sich "zur Liquidation seines aufgehobenen Amtes anmelden mag, wenn er sich gegründet glaubt", noch ein anderer Gutsbesitzer einbegriffen, wenn er nicht nachweist, Lehnsmann zu sein.
Für diese Gerechtsame sollen jährlich bezahlt werden: durch die Gemeinde ein Pfennig für jedes zur Weide getriebene Stück Hornvieh sowie 10 Reichstaler nach alter kölnischer Währung (30 Franc 92 Cente) als Entschädigung für die ihr obliegende Baumpflanzung, an Gerste soviel als erwiesen wird und 2/4 Wein; durch die Lehnsleute ein Malter Gerste, ein Huhn und 1 ½ Albus, außerdem muss jeder ein Schwein abgeben, sooft ihre Schweine über sechs Wochen auf der Eichelweide sind.
Gemeinde und Lehnsleute sind in der Ausübung der Gerechtsame an die Forstgesetze gebunden.“17
Zu Zeiten des Kurfürsten Clemens August war der Kottenforst das Jagdparadies des Fürsten. In Röttgen hatte er sich Mitte des 18. Jahrhunderts das Jagdschloss Herzogsfreude errichten lassen, das bereits 1807 von den Franzosen für den Festungsbau in Wesel wieder abgerissen wurde. Im Kottenforst ließ er ein groß angelegtes Schneisensystem für die Parforcejagd ausbauen. Diese Schneisen oder Alleen nutzen noch heute die Spaziergänger für ihre Wanderungen durch den Wald. Die Hauptachsen des Wegesystems laufen alle in Röttgen zusammen. An ihrem Schnittpunkt stand das Jagdschloss. Die Meckenheimer Allee war eine der bedeutenden Wegeachsen durch den Forst; sie ist heute zur L 261 ausgebaut. Aber auch die „Merler Bahn“ kann man heute noch entlanggehen. Unter französischer Herrschaft wurde im Kottenforst extrem viel Holz geschlagen. Nachdem das Gebiet 1815 im Wiener Kongress den Preußen zugesprochen wurde, fanden diese einen großflächig verwüsteten Wald vor. Er bestand nur noch aus etwa 300 Hektar Eichen- und Buchenwald. Der preußischen Forstverwaltung ist es zu verdanken, dass der Kottenforst wieder aufgeforstet wurde.
Quellenverzeichnis
1 Martin Luther, Tischreden 30. August 1532
2 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 15
3 s. Nr. 2
4 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 76
5 24. Juni
6 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 59
7 HSTA Düsseldorf, Kurköln, Kartulare 3
8 s. Nr. 6
9 http://www.ngzg.geschichte.uni-muenchen.de/forschung/forsch_projekte/wald/index.html:
Frühe Formen der Umweltpolitik: Wald und Gesellschaft von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert
10 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 128
11 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 63
12 Thaer, Albrecht, Grundsätze der rationellen Landwirtschaft, Berlin 1812, S. 257: „Endlich erwähne ich noch der Waldmast. Sie macht nie im höchsten Grade fett; aber Mast. Die Eichelmast giebt ein sehr festes Fleisch und Speck; die Buchmast hingegen gibt loses Fleisch und Speck, welches, wenn es warm wird, ausläuft.
Die Schweine müssen Tag und Nacht im Walde bleiben und Schoppen darin haben. Werden sie Abends eingetrieben, oder können frei nach Hause laufen, so erhitzen sie sich, und laufen so viel wieder ab, als sie ansetzen. Die Waldmast ist freilich unter allen die wohlfeilste, aber nicht alle Jahre ist sie genugsam vorhanden. Wenn sie sich nicht schnell darin bis zu einem gewissen Grade fett fressen, so haben sie oft wegen des Mangels an Wärme und an Ruhe, wenig Nutzen davon.
Den Weideschweinen ist die Holzweide immer sehr vortheilhaft, wenn auch die Waldfrüchte nicht gerathen, indem die Wurzeln, Maden und Würmer ihnen immer sehr gedeihlich sind. Durchaus müssen sie aber Wasser dabei genugsam haben.“
13 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 64
14 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 67
15 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 66
16 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 384
17 StA Meckenheim, Archiv von Cler Nr. 405
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Die Rechte der Meckenheimer am Kottenforst in der Frühen Neuzeit
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