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Gedenken an die Reichspogromnacht

Würdevolle Veranstaltung der Stadt Meckenheim mit anschließendem Schweigemarsch zum jüdischen Friedhof

Mit einer offiziellen Gedenkstunde hat die Stadt Meckenheim an die Zerstörung und Brandschatzung von jüdischen Synagogen, Geschäften und Häusern erinnert. Bürgermeister Holger Jung sowie Schülerinnen und Schüler des Meckenheimer Konrad-Adenauer-Gymnasiums richteten sich mit eindringlichen Worten und nachdenklichen Texten an die Teilnehmenden, die sich zahlreich am Gedenkstein Prof.-Scheeben-Straße/Synagogenplatz eingefunden hatten. Im Anschluss an die Kranzniederlegung zogen sie gemeinsam in einem Schweigemarsch zum jüdischen Friedhof, wo die Veranstaltung ihren würdevollen Abschluss fand.

Mittlerweile 86 Jahre liegen die fürchterlichen Ereignisse der Reichspogromnacht zurück. Aufgewiegelt von den braunen Machthabern und ihren blutrünstigen Erfüllungsgehilfen waren am 9. und 10. November 1938 hasserfüllte und vielfach von SA- und SS-Männern angeführte Gruppe durch Nazi-Deutschland gezogen, um eine Schneise der Verwüstung zu schlagen. Überall in den Dörfern und Städten brannten Synagogen, richtete sich der abgrundtiefe Hass des braunen Mobs gegen Menschen jüdischen Glaubens. Sie wurden gedemütigt, verhaftet, deportiert und ermordet. „In der Reichspogromnacht vollzog sich der Übergang von der rechtlichen Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden hin zur offenen Verfolgung und Drangsalierung; ein Weg, der schließlich zu Shoah – der systematischen Verfolgung und Ermordung von mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden – geführt hat“, sagte Holger Jung bedrückt.

Foto zeigt Bürgermeister Holger Jung während seiner Ansprache.
Ergriffen liest Bürgermeister Holger Jung aus dem Brief vor, den das Ehepaar Bier kurz vor der Deportation an seine Kinder im australischen Exil verfasst hatte.

In seiner Ansprache ging der Bürgermeister näher auf die entsetzlichen Verbrechen von damals ein, thematisierte aber auch aktuelle Entwicklungen wie die Kriege und Krisen der heutigen Zeit und den Rechtsruck in Deutschland. Er sprach von dunkelbrauen Wolken, die schon wieder aufziehen, und bezog sich dabei auf die jüngsten Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern. „Ich bin immer noch fassungslos, denn erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg konnte mit der AfD in Thüringen eine als rechtsextremistisch eingestufte Partei stärkste Kraft werden. Wer hätte das noch vor wenigen Jahren gedacht?!“ Ebenfalls trug Jung aus der Studie „Antisemitismus in der Gesamtgesellschaft von Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024“ vor und erläuterte deren Ergebnisse. Unter anderem fordert demnach fast die Hälfte der Befragten einen Schlussstrich unter die Vergangenheit des Holocaust zu ziehen. „Zahlen und Resultate, die mich, die uns sehr nachdenklich stimmen und aufschrecken lassen“, so Jung.

Ein wichtiges Anliegen war es ihm, auf die Meckenheimer Schicksale während der Nazi-Zeit einzugehen und dabei auf das Buch „Ihre Namen werden bleiben!“ von Dietmar Pertz und der Meckenheimer Stadtarchivarin Ingrid Sönnert hinzuweisen. Jung berichtete unter anderem von dem Ehepaar Bier, dessen Spur sich nach der Deportation verliert. Kurz zuvor hatten die Eltern für ihre Kinder im australischen Exil einen Brief verfasst, aus dem der Bürgermeister ergriffen vortrug – ein herzzerreißendes Zeugnis der grausamen Vergangenheit, das auch in der Gegenwart noch tief betroffen macht.

Mit seinen Gedanken war Jung bei den Opfern von damals und von heute. Er erinnerte an den terroristischen Anschlag der Hamas am 7. Oktober 2023, die blutige Auseinandersetzung im Nahen Osten und die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen. „An die betroffenen Menschen, die Familien und Kinder wollen wir heute genauso denken wie insbesondere an die sich immer noch in Geiselhaft befindlichen Menschen jüdischen Glaubens und ihre Angehörigen, die mit der fürchterlichen Ungewissheit des Schicksals der Verschleppten leben müssen.“

Trotz der aktuellen Entwicklung dürfe man die Kraft und die Hoffnung nicht verlieren, sondern müsse sich an seine Stärken besinnen, mahnte Jung. „Meckenheim zeigt sich nämlich bunt, tolerant und mit Haltung!“ Er erinnerte an die große Demonstration mit dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“. Im Februar hatten sich sehr viele Bürgerinnen und Bürger vor dem Rathaus, eingefunden, um ein deutliches Zeichen gegen Hass, Ausgrenzung, Geschichtsvergessenheit und für eine demokratische Grundordnung zu setzen. „Auch und vor allem daraus schöpfe ich die Zuversicht, dass wir weiterhin in einem offenen, verständnis- und respektvollen Miteinander friedlich zusammenleben werden“, sagte der Bürgermeister. Es gelte eine Bastion gegen Antisemitismus, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Geschichtsverklärung und rechtsradikale Entwicklungen zu bilden. „Lassen Sie uns gemeinsam den Mut aufbringen, für eine Welt einzutreten, in der jeder Mensch unabhängig von Herkunft, Glauben und Identität respektiert und akzeptiert wird“, so Jung. Er appellierte, die Erinnerung an die fürchterlichen Verbrechen von damals, an den abscheulichen Völkermord weiterzutragen und die nächste Generation aufzuklären. Denn „Wer sich seiner Vergangenheit nicht bewusst ist, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, zitierte der Bürgermeister den spanischen Philosophen George Santayana.

Es war eine würdevolle Gedenkstunde, zu der die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 9 und 10 sowie der Q2 des Konrad-Adenauer-Gymnasiums ebenso beitrugen. Begleitet von ihrer Lehrerin Christina Eilers schilderten sie unter Zuhilfenahme von Zeitzeugenberichten die damaligen Geschehnisse und lasen die Namen der jüdischen Familien aus Meckenheim, die dem braunen Terror zum Opfer fielen, vor. Holger Jung bedankte sich herzlich für das außergewöhnliche Engagement. In seinen Dank schloss er die Schülerinnen und Schüler aus dem Kurs „Erinnern und Haltung zeigen“ ausdrücklich ein. Sie hatten die Stolpersteine in Meckenheim gereinigt.

Im Anschluss an die Kranzniederlegung setzte sich der Schweigemarsch zum jüdischen Friedhof in Bewegung. Hier fand das Gedenken an die Reichspogromnacht bei Kerzenschein und andächtiger Stille ihr würdevolles Ende.