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Kriminalpräventiver Rat der Stadt Meckenheim
Interview mit Staatsanwalt Florian Kaupe
In unserem Arbeitskreis „Sichere Stadt“ des Kriminalpräventiven Rates wurde festgestellt, dass die Jugendkriminalität zurückgegangen ist. Es wurde jedoch auch der Eindruck geäußert, dass die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen zunimmt. Gibt es diesbezüglich eine gegenläufige Entwicklung?
Seit Anfang März liegt mir die polizeiliche Kriminalstatistik 2009 (PKS) für Meckenheim vor. Die Statistiken lassen keine eindeutigen Schlüsse zu, da die Hintergründe für Veränderungen bei bestimmten Delikten und Deliktstypen hier nicht aufgeführt werden.
Hinsichtlich der Gewaltdelikte (z.B. Körperverletzung, etc.) sind die Zahlen jedoch eindeutig. Waren im Jahr 2008 hier noch 58 Fälle zu verzeichnen, ist diese Zahl im Jahr 2009 auf 27 Straftaten zurückgegangen. Das bedeutet einen Rückgang um über 50 Prozent. Diese erfreuliche Entwicklung gilt auch für jugendliche Tatverdächtige. Eine gestiegene Gewaltbereitschaft unter Meckenheimer Jugendlichen lässt sich somit nicht feststellen, ganz im Gegenteil. Die Gewaltkriminalität in Meckenheim, wie auch die Kriminalität im Allgemeinen, ist rückläufig – das gilt auch für die Gruppe der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden. Dass die Bevölkerung hier teilweise eine andere Wahrnehmung hat, ist jedoch auch im Hinblick auf die mediale Berichterstattung nachvollziehbar. Hier ist es Aufgabe des Kriminalpräventiven Rates und dessen Mitglieder den positiven Trend nachhaltig zu stärken und die Erfolge auch wahrnehmbar zu machen.
Unser Jugendstrafrecht besitzt als Grundlage den Erziehungsgedanken. Gibt es Jugendliche, wo die besonderen Maßnahmen des Jugendstrafrechts nicht mehr fruchten und wenn ja, welche Möglichkeiten bestehen dann?
Natürlich gibt es auch solche Fälle: meistens hat man bei ihnen über Verwarnungen, Erteilung von Auflagen, kurzfristigen Jugendarresten sowie Jugendstrafen zur Bewährung alles versucht, sie zu einem Umdenken zu bewegen. Dann kann auch am Ende leider nur der dauerhafte Freiheitsentzug im „Jugendgefängnis“ stehen. Zum Glück gibt es in Meckenheim hiervon nur ganz wenige Fälle.
In der Bevölkerung erhebt sich großer Unmut, wenn jugendliche Mehrfachstraftäter kurz nach der Tatbegehung von Verbrechen - wie z.B. Raub - wieder auf freien Fuß kommen und nicht in Untersuchungshaft genommen werden. Wie sehen diesbezüglich die rechtlichen Rahmenbedingungen aus?
Man kann jemanden nur in Untersuchungshaft nehmen, wenn Haftgründe vorliegen. Das heißt, die Straferwartung muss so hoch sein, dass Fluchtgefahr besteht, oder jemand hat so viele Taten gleicher Art begangen, dass Wiederholungsgefahr besteht, oder das Verhalten des Beschuldigten lässt mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten, dass der Täter Beweismittel vernichtet oder auf Zeugen einwirkt (sog. Verdunkelungsgefahr). Ansonsten bleibt er bis zur Verhandlung auf freiem Fuß. Das gilt nicht nur bei Erwachsenen so, sondern natürlich auch bei Jugendlichen im Besonderen. Für sie stellt das Jugendgerichtsgesetz noch strenge Anforderungen. Deswegen kann es vorkommen, dass Täter erst nach der Gerichtsverhandlung inhaftiert werden. Das ist auch konsequent, denn jeder gilt in unserem Staat als unschuldig, so lange ihm eine Tat nicht nachgewiesen wurde. Niemand möchte letztendlich „einsitzen“ und dann stellt sich heraus, dass er nichts begangen hat. Überlegen Sie sich einmal, was das für Konsequenzen in ihrem sozialen Umfeld haben kann - vom Verlust des Arbeitsplatzes bis hin zum Auseinanderbrechen von Familien ist hier alles möglich!
Reichen aus Ihrer Sicht die gesetzlichen Regelungen im Jugendstrafrecht aus? Was halten Sie von der Forderung nach höheren Strafen?
Wenn man in Kategorien von Schuld und Sühne denkt, mögen die ausgesprochenen Verurteilungen bei schweren Straftaten – wie z.B. auch dem Hallenbrand in Meckenheim - dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung nicht entsprechen.
Vom Gesichtspunkt der Abschreckung und vom Erziehungsgedanken her, machen höhere Strafrahmen wenig Sinn. Kein Jugendlicher und kein Heranwachsender lässt sich von einer Tat abschrecken, weil ihm statt zehn möglicherweise nun 15 Jahre drohen. Diese Überlegung spielt vor einer Tat überhaupt keine Rolle und viele Jugendliche vermögen, aufgrund ihrer noch nicht abgeschlossenen Entwicklung zum Erwachsenen, nicht die Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen. Eine reine Erhöhung des Strafrahmens würde vor diesem Hintergrund aus meiner Sicht nicht viel nützen. Hier gilt es vielmehr, die bereits vorhandenen Möglichkeiten des Jugendgerichtgesetzes konsequent zu nutzen.
Die in der Vergangenheit erfolgte öffentliche Berichterstattung zu Meckenheim vermittelte den Eindruck, dass es hier eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Jugendstraftaten gibt. Wie stehen wir hier im vergleich zu Kommunen vergleichbarer Größe dar?
Die Anzahl der Straftaten in Meckenheim, die Jugendlichen und Heranwachsenden zugerechnet werden, sind in keiner Weise höher als in anderen vergleichbaren Städten oder Gemeinden.
Sind Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional vertreten?
Statistisch zeigt sich, dass jugendliche/heranwachsende Tatverdächtige mit Migrationshintergrund überproportional vertreten sind. Mögliche Ursachen und Gründe werden in der Statistik allerdings nicht aufgeführt. Ein Vergleich zwischen einem jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund muss allerdings folgendes berücksichtigen:
Die Gruppe der hier lebenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund weist wesentlich schlechtere sozialstrukturelle Merkmale auf, als der Kreis der Restbevölkerung. Bezieht man den Vergleich auf sozial ähnlich zusammengesetzte Bevölkerungsgruppe ursprünglich deutscher Herkunft, so schwindet im Vergleich die höhere Kriminalitätsbelastung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund erheblich. Dies ist im Übrigen eine wichtige Erkenntnis für die Präventionsarbeit.
Können Sie Ihre Aussage noch näher konkretisieren? Welche Tipps zur Präventionsarbeit bezüglich Jugendlichen mit Migrationshintergrund können Sie uns geben?
Letztendlich kann man nur an der Integration der Menschen arbeiten und deren soziale Stellung in der Bevölkerung verbessern. Mit dem KommIn–Projekt, welches durch das Land NRW gefördert wird, und dem inzwischen gestellten Folgeantrag, geht man aus meiner Sicht auch hier von Seiten der Stadt den richtigen Weg. Wer seinen festen Platz in der Gesellschaft einnimmt, der wird in der Regel nicht so schnell kriminell werden. Deswegen ist von entscheidender Bedeutung, dass man in Meckenheim einen Dialog über kulturelle Grenzen hinweg begonnen hat. Dieses Ziel sollte die Stadt auch weiterhin konsequent verfolgen. Gleiches gilt im Übrigen für den Bereich der Bildung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jugendlicher oder Heranwachsender mit einen Schulabschluss und einen Ausbildungsplatz kriminell wird, ist deutlich geringer als bei Personen, die keiner geregelten Tätigkeit nachgehen oder gar arbeitslos sind.
Einigkeit herrschte in unserem Arbeitskreis im Punkt, dass man kriminelle Karrieren frühzeitig unterbrechen sollte. Einen Ansatz hierzu verfolgt die Staatsanwaltschaft Bonn bereits, indem Sie als Sonderdezernent für unsere Stadt eingesetzt wurden. Welche Vorteile hat das Projekt „Staatsanwalt vor Ort“ Ihrer Meinung nach?
Ich denke, dass die Stadt Meckenheim, Polizei und Staatsanwaltschaft bereits den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die Resultate erleben wir ja bereits bei den kürzlich bekannt gegebenen PKS - Zahlen. Die beteiligten Behörden verfolgen bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität grundsätzlich zwei Varianten, Prävention und Repression.
Mit dem Kriminalpräventiven Rat der Stadt Meckenheim hat man ein Gremium geschaffen, das sich mit allen Möglichkeiten der Kriminalprävention im Stadtgebiet befasst und in diesem Bereich eine Vernetzung schafft. Besonders wichtig ist es, den Jugendlichen genügend Freizeitangebote zu bieten. Das geschieht mit dem Projekt Meckenheim Mobil, in dem Jugendliche über den Ansatz der aufsuchenden Sozialarbeit zu gemeinsamen sportlichen Aktivitäten (Fußball, Boxen etc.) angehalten werden. Sportprojekte eignen sich hierfür hervorragend, da sie sehr niederschwellig sind. So kann man von vornherein verhindern, dass der ein oder andere auf die „schiefe Bahn“ gerät. Die Prävention ist ein äußerst wichtiger Faktor zur Vorbeugung von Kriminalität im Allgemeinen. Der diesbezüglich von der Stadt Meckenheim eingeschlagene Weg sollte daher konsequent weiterverfolgt werden.
Wichtig ist aber auch die repressive ( =strafverfolgende ) Schiene, zu der meine Arbeit als Staatsanwalt gehört. Hier haben wir ein besonderes Augenmerk auf die Ermittlungsarbeit und die zeitnahe Anklage von jugendlichen Tätern - insbesondere von Intensivtätern - gelegt. Seitens der Bonner Polizei wird dies durch die Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der Intensiv- und Serientäter (EGIS) unterstützt. Schwerpunkt ist hier die sogenannte täterorientierte Ermittlungsarbeit. Das heißt, nicht die Art des begangenen Deliktes - sondern die Person des Täters - steht im Focus der Ermittler. Der Vorteil an dieser Art der Ermittlungsführung ist, dass nicht verschiedene Kommissariate aufgrund ihrer Zuständigkeit (Eigentumsdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetzt) mit der Sachbearbeitung beauftragt werden, sondern unabhängig vom begangenen Vergehen alle Strafanzeigen die sich auf ein und denselben Intensivtäter beziehen, von der EGIS bearbeitet werden.
Doch das ist in diesem Bereich noch nicht alles. Ist eine Straftat vorgefallen, suchen Polizei und Jugendamt die betroffenen Minderjährigen zu Hause auf und erklären ihnen im Beisein der Eltern, welche Strafen sie zu erwarten und welche negativen Folgen diese für ihr späteres Leben haben können. Auch dort, wo sich junge Intensivtäter bevorzugt aufhalten, finden gezielt solche Gespräche statt. Bei den Mehrfachstraftätern werden solche Maßnahmen in gemeinsamen Fallkonferenzen des Jugendamtes mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft vorbereitet. Auch über ambulante Erziehungshilfen des Jugendamtes versucht man bei diesen zusätzlich die Situation in den Griff zu bekommen. Auf diesem Gebiet funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadt Meckenheim reibungslos. Die kurzen Dienstwege und die unbürokratische Abhandlung solcher Fälle insbesondere mit dem Jugendamt sind hierbei von großer Bedeutung.
Im Gespräch (v.l.n.r.): Johannes Winckler- Geschäftsführer des Kriminalpräventiven Rates, Florian Kaupe-Staatsanwalt mit Joachim Kühlwetter, Leiter des Arbeitskreises Sichere Stadt
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